Hoher Steuerausfall durch Reform der Gewerbesteuer

Berechnung des FDP-Modells zeigt: Staat würde bis zu sechs Milliarden Euro verlieren. Städtetag, SPD und Grüne protestieren

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Von Hannes Koch

17. Jun. 2010 –

Die von Union und FDP erwogene Abschaffung der kommunalen Gewerbesteuer würde zu erheblichen Steuerausfällen führen. Das ist das Ergebnis von Berechnungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Kommunalsteuern“, die dieser Zeitung vorliegen. „Das Prüfmodell führt zu jährlichen Steuerausfällen in Höhe von 5,35 bis 6,1 Milliarden Euro für den Gesamtstaat“, heißt es in dem Papier.


Diskutiert wurde der Zwischenbericht während der Arbeitsgruppen-Sitzung am Donnerstag. Die Berechnungen beziehen sich auf das so genannte FDP-Modell. Um die Unternehmen zu entlasten, wollen die FDP und Teile der Union die heutige Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil der Städte an der Einkommens- und Mehrwertsteuer ersetzen. Der Deutsche Städtetag und der Städte- und Gemeindebund lehnen das Modell ab. Die grüne Bundestagsabgeordnete Britta Haßelmann befürchtet, dass das Finanzierungsdefizit durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gedeckt würde. „Dadurch werden die Bürger zusätzlich belastet“, so Haßelmann.


Heute finanzieren sich die Kommunen zum guten Teil durch die Gewerbesteuer, deren Höhe sie mitbestimmen können. Dieses Jahr belaufen sich die Einnahmen auf rund 30 Milliarden Euro, die vor allem die in den Städten ansässigen Unternehmen und Gewerbebetriebe zahlen. Außerdem erhalten die Gemeinden Anteile der Einkommens- und Mehrwertsteuer.


Im neuen Modell würde die Gewerbesteuer abgeschafft. Stattdessen dürften die Städte eigene Zuschläge zur Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer für Firmen erheben, deren Sätze von Kommune zu Kommune schwanken. Damit die Einkommenssteuer der Bürger im Vergleich zu heute gleich bleibt, müssten die aktuellen Steuersätze sinken. Der Eingangssteuersatz der Lohn- und Einkommenssteuer ginge von heute 14 auf 11,9 Prozent, der Spitzensteuersatz von 45 auf 38,25 Prozent zurück. Weil die gesonderte Gewerbesteuer wegfiele, würde dagegen der tarifliche Körperschaftssteuersatz für Unternehmen von heute 15 auf 24 Prozent erhöht. Zusammen mit dem neuen Kommunalzuschlag auf die Gewinnsteuer läge die Besteuerung der Firmen später auf ähnlicher Höhe wie heute. Damit die Kommunen keinen Verlust erleiden, würden sie zusätzlich einen größeren Anteil der Mehrwertsteuer erhalten.


Trotzdem würden Kapitalgesellschaften, Personenunternehmen und Einkommenssteuerzahler um rund fünf Milliarden Euro entlastet. Ein Grund dafür: Bestimmte Kosten, die die Unternehmen heute nicht von der Gewerbesteuer absetzen können, wären künftig abzugsfähig. Damit müssten die Firmen weniger Steuern entrichten.


Eine der heiklen Fragen ist nun, wie das Defizit von fünf bis sechs Milliarden Euro, das unter dem Strich entstünde, zu decken ist. In den Papieren der Kommission und des Bundesfinanzministeriums findet sich dazu bislang keine Antwort. Die Kritiker befürchten freilich, dass es auf eine höhere Mehrwertsteuer hinausläuft, die alle Verbraucher bezahlen. Detlef Raphael, der Geschäftsführer der SPD-Gemeinschaft für Kommunalpolitik, sagt deshalb: „Die Bürger würden mehr belastet, die Firmen weniger. Deshalb kommt das Modell für uns nicht in Frage.“


Ein weiteres Problem betrifft die Kommunen. Deren Einnahmen zu stabilisieren und von den konjunkturellen Schwankungen der Gewerbesteuer unabhängig zu machen, ist ein erklärtes Ziel der geplanten Reform. Beispielsweise durch den höheren Anteil an der Mehrwertsteuer könnte dies auch gelingen. Andererseits würde durch die unterschiedlichen Zuschläge, die die Städte auf die Einkommenssteuer erheben, eine neue Konkurrenz entstehen. Wohlhabende Gemeinden könnten die Steuer senken und zahlungskräftige Bürger anlocken. „Arme Kommunen werden dagegen unter dem neuen Modell leiden“, sagt Grünen-Politikerin Haßelmann, „die Schere zwischen finanzschwachen Kommunen beispielsweise im Ruhrgebiet einerseits und reichen Städten andererseits wird sich weiter öffnen.“


Währenddessen fordert der Deutsche Städtetag die Bundesregierung auf, zunächst einmal eine Lösung für das Defizit von rund 15 Milliarden Euro zu finden, das den Gemeinden in diesem Jahr droht. Der kommunale Spitzenverband plädiert dafür, die Gewerbesteuer beizubehalten und auszuweiten. Vor allem müssten die heute befreiten Freiberufler wie Ärzte und Anwälte einbezogen werden.


Kasten

Kommission

Eingerichtet wurde die Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen im Februar. Beteiligt sind unter Bundesfinanzminister Schäuble, die Bundesländer und Verbände der Städte. Ein Ergebnis soll bis zum Herbst vorliegen. Die FDP möchte vor allem die Unternehmen entlasten. Schäuble liegt auch daran, die Finanzsituation der verschuldeten Städte zu stabilisieren.

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