Honorarberater statt Finanzverkäufer

Verbraucher sollen unabhängig beraten werden

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

19. Dez. 2012 –

Die Bundesregierung stärkt die Beratung von Anlegern durch unabhängige Experten. Mitte nächsten Jahres werden zwei neue Berufsbilder geschaffen. Dann gibt es den „Honorar-Finanzanlagenberater“ und den „Honorar-Anlageberater“. Das hat das Bundeskabinett beschlossen. „Wir schaffen damit den Einstieg in eine Alternativkultur der Anlageberatung“, hofft Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner. Die Ratschläge der Fachleute würden nicht mehr durch Provisionen oder Umsatzziele beeinflusst, sondern allein durch die Bedürfnisse der Kunden.


Es gibt bundesweit bereits rund 1.400 unabhängige Büros, die Anlegern für sie geeignete Produkte empfehlen. Dafür bezahlen die Kunden eine Gebühr, die durchaus über 100 Euro betragen kann. Da gerade bei lange laufenden Verträge die Unterschiede zwischen guten und schlechten Produkten durchaus einige Tausend Euro ausmachen können, lohnt sich eine Beratung dennoch. Bislang wenden sich die meisten Verbraucher an ihre Bank, wenn sie etwas sparen wollen. Die Beratung in den Geldinstituten ist meist vordergründig kostenlos. Doch die Banken kassieren für die Vermittlung bestimmter Produkte Provisionen. Insbesondere nach der Pleite der Lehman-Bank 2008 ist dieses System in die Kritik geraten, weil für die Bankberater die Höhe der Provisionen wichtiger war als das Wohl der Kunden. Mit unabhängigen Beratern will die Bundesregierung für mehr Wettbewerb auf diesem Markt sorgen und die Qualität der Tipps insgesamt verbessern.


Es wird künftig drei Berufsbilder geben. Zu den bereits existenten Versicherungsberatern kommen die Finanzanlagenberater, die ausschließlich offene und geschlossene Fonds oder Unternehmensbeteiligungen empfehlen dürfen. Dagegen darf der Honorar-Anlageberater umfassend Vermögensanlagen und Wertpapiere untersuchen und zum Kauf raten. Manche Produkte wie Bausparverträge oder Darlehen bleiben jedoch außen vor. Finanzieren dürfen ich die Berater ausschließlich über die Vergütungen durch die Kunden. Wenn sie Produkte vermitteln und dafür Provisionen vorgesehen sind, müssen sie diese an den Sparer in voller Höhe weiter geben.


Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) begrüßt den Vorstoß der Bundesregierung, mahnt jedoch weitere Verbesserungen an. „Eine gute Beratung kann nur funktionieren, wenn sie alle Finanzprodukte umfasst“, kritisiert vzbv-Chef Gerd Billen. Er fordert ein Gesetz, dass die Honorarberatung umfassend regelt. Denn bedarfsgerecht Ratschläge seien nur möglich, wenn wenn der Kund unabhängig von einzelnen Produktgruppen Tipps erhalten kann.


Auch die Opposition hält das Gesetz für missraten. Die Bundesregierung nehme eine künstliche Trennung nach Produktgruppen vor und schaffe damit Schlupflöcher für unseriöse Anbieter, erläutert die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen, Nicole Maisch. Für Carsten Sieling, den Finanzexperten der SPD, ist das Vorhaben „eine einzige Enttäuschung“. Trotz vielfacher Kritik verzichte die Bundesregierung bei den freien Finanzvermittlern, die es auch noch gibt, auf eine Überwachung des Marktes durch die Finanzaufsichtsbehörden. „So wird das Schutzniveau der Anlegerinnen und Anleger auch künftig davon abhängen, wo sie sich beraten lassen – in der Bank oder beim freien Vermittler“, befürchtet Sieling.

« Zurück | Nachrichten »