Hut ab, Pussy Riot!
Kommentar von Hannes Koch
30. Sep. 2012 –
„Schljapa“ ist der Tarnname einer der Mitglieder der in Russland verfolgten Band Pussy Riot. Das Pseudonym, das „Hut“ bedeutet, braucht sie ebenso wie die Strumpfmaske bei öffentlichen Aktionen, damit sie nicht verurteilt und ins Arbeitslager geschickt wird. In einem Interview mit der Tageszeitung taz versteigt sich Schljapa nun dazu, ihre Tarnung als „antikapitalistisch“ zu überhöhen. Sie sagt: „Der Kapitalismus basiert auf dem Prinzip Kaufen und Verkaufen. Das geht nur, wenn Du ein Gesicht hast und es zeigst. Ein Mensch ohne Antlitz tritt nicht als Händler auf. Das kapitalistische System duldet Anonymität nicht.“
Wie bitte? Das Gesicht macht den Menschen zum Individuum, und das sehr, sehr lange vor dem Kapitalismus. Ohne Individualität kein soziales Leben. Sein Gesicht in der Öffentlichkeit zu zeigen, der Regierung im gleichen Augenblick ein „Nein“ entgegenzuhalten und genau dafür nicht bestraft zu werden, ist Ausdruck der gleichen und unveräußerlichen Rechte jedes Individuums. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Er darf unter allen Umständen sein Gesicht zeigen. Muss er es unter einer Maske verstecken, ist das ein Beleg dafür, dass er versucht, seine Restwürde gegen eine Diktatur zu behaupten.
Angesichts von Repressionsorganisationen wie der Putin-Jugend Naschi geht das in Russland offenbar nicht anders. In einigen demokratischen Staaten ist es zum Glück nicht nötig. Das Ziel muss überall heißen: Hut ab!