Im Winter volle Züge und keine Reserven

Siemens kann die neuen ICE 3 immer noch nicht liefern / Bahn rechnet mit wenigstens zwei Monaten Verzögerung

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Von Wolfgang Mulke

22. Nov. 2012 –

Fahrgäste der Bahn müssen sich zur Weihnachtszeit auf vielen Strecken auf volle Züge einstellen. Auch wird die Deutsche Bahn in diesem Winter kaum über Reservezüge verfügen, die bei kältebedingten Ausfällen als Ersatz eingesetzt werden können. Grund ist eine erneute Lieferverzögerung bei den neuen ICE 3, die das Unternehmen bei Siemens bestellt hat. Eigentlich sollten die ersten Hochgeschwindigkeitszüge der Baureihe 407 bereits vor einem Jahr geliefert werden. Nun verhindern Probleme mit der Software den mit dem Fahrplanwechsel im Dezember geplanten Einsatz. „Unsere Kunden fühlen sich von Siemens im Stich gelassen“, sagt der für den Fernverkehr zuständige Vorstand Berthold Huber.


„Ursache sind Probleme mit der Zugsteuerung“, begründet der Hersteller Siemens die neuerliche Verschiebung. Nun werde mit Nachdruck daran gearbeitet, die Fehler zu beheben. Dabei handelt es sich zum Beispiel um mitunter fehlende Kontakte zum Leitsystem. Wird die Verbindung unterbrochen, bremst der ICE automatisch ab. Und bei der Kopplung zweier aneinandergehängter Züge klappt die elektronische Verbindung beider Teile nicht wie von der Bahn gewünscht. Nun will Siemens die Software nachbessern. Anschließend müssen die ICE erneut die vorgeschriebenen Sicherheitsnachweise erbringen. „Wie lange es dauert, kann ich heute noch nicht sagen“, ärgert sich der Technikvorstand der Bahn, Volker Kefer.


Insgesamt hat die Bahn 16 neue ICE bei Siemens bestellt. Zum Fahrplanwechsel sollten acht davon bereit gestellt werden. Die anderen sollen im Verlauf des nächsten Jahres die Flotte von rund 250 Hochgeschwindigkeitszügen ergänzen. 500 Millionen Euro gibt der Konzern dafür aus. Einen 17 ICE im Gegenwert von rund 30 Millionen Euro erhält die Bahn kostenlos als Ersatz für den durch die bisherigen Lieferverspätungen erlittenen Schäden.


Die nun geplatzte Auslieferung sollte die Reserveflotte in diesem Winter verstärken. In den regulären Fahrplan wurden die neuen Züge vorsichtshalber gar nicht erst aufgenommen. Die Vorsicht, so zeigt sich jetzt, hatte gute Gründe. Die ICE sollten vor allem auf den vielbefahrenen Strecken zusätzlich eingesetzt werden, vor allem auf der Route von Köln nach Stuttgart. Daraus wird nun erst einmal nichts. Das ist nicht der einzige Ärger mit der Baureihe. Ursprünglich sollte sie auch mit den Genehmigungen für Fahrten in Frankreich und Belgien ausgeliefert werden. Doch Kefer zufolge wird die Zulassung für die einzelnen Trassennetze erst zwischen 2014 und 2016 erwartet. Die geplante Verbindung durch den Kanaltunnel nach England kann die Bahn daher erst einmal vergessen.


Der Ärger mit den Herstellern ist nicht neu. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu Verzögerungen. Wir brauchen dringend mehr Verlässlichkeit bei der Herstellerindustrie“, fordert Kefer nun erneut. Bei Nahverkehrszügen oder Trambahnen gibt es schon genügend Wettbewerb, so dass sich die Industrie um eine gute Qualität kümmern muss. Bei den komplizierten Hochgeschwindigkeitszügen dominieren die beiden Hersteller Siemens und Bombardier den Markt. Die anderen Firmen in der Welt, die diese Technologie beherrschen, halten sich vom europäischen Markt noch fern. Die hohen Anforderungen an die Zugsysteme stellen für sie eine große Barriere da. Also muss die Bahn mit den vorhandenen Konzernen zusammenarbeiten. Von dieser Abhängigkeit will sich Kefer nach und nach lösen. Erstmals hat die Bahn daher kürzlich auch in Polen Züge bestellt.

 

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