Immer mehr bekommen immer weniger

Mehr als jeder fünfte Beschäftigte erhält nur Niedriglohn / Die Schere zwischen guten und schlechten Verdiensten öffnet sich weiter

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Von Wolfgang Mulke

10. Sep. 2012 –

Jeder vierte der rund 31 Millionen Beschäftigten in Deutschland arbeitet Teilzeit, in einem Minijob, mit einem befristeten Arbeitsvertrag oder in einer Zeitarbeitsfirma. „20,6 Prozent der Beschäftigten arbeitetet 2010 für einen Niedriglohn“, sagt der Präsident des Statistischen Bundesamts, Roderich Egeler, 2006 lag der Anteil noch um fast zwei Prozentpunkte niedriger. Das Am hat eine Sonderauswertung der Verdienste von 1,9 Millionen Arbeitnehmern veröffentlicht.


Der Schwellenwert für Geringverdiener wird anhand einer international geltenden Methode festgelegt. In Deutschland gilt ein Bruttostundenverdienst von 10,36 Euro als Grenze. Die Schere zwischen den gut und den mies bezahlten Tätigkeiten öffnet sich weiter. 2006 erhielten die zehn Prozent der am besten bezahlten Arbeitnehmer 18,66 Euro mehr pro Stunde als die zehn Prozent am unteren Ende. Bis 2010 ist der Unterschied auf 20.37 Euro angewachsen. Die Gutverdiener kamen im Durchschnitt auf 28,69 Euro, am unteren Ende gab es nur 8,32 Euro. „Der Abstand ist größer geworden“, berichtet Egeler, der zwei Entwicklungen beobachtet. Die Besserverdienenden eilten im letzten Jahrzehnt der Mitte davon und die Geringverdiener verloren den Anschluss an ein mittleres Einkommen.


Wie viele Beschäftigte sich tatsächlich mit einem geringen Einkommen begnügen müssen, weiß auch das Bundesamt nicht. Denn einige Berufsgruppen werden bei der Auswertung nicht berücksichtigt, um die Wirtschaft von bürokratischen Pflichten zu entlasten. Die Beschäftigten in Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern gehören zu diesem Gruppe, ebenso die Land- und Forstwirtschaft sowie die Fischerei. Deshalb sei der nun genannte Anteil der Geringverdiener an den Beschäftigten als untere Grenze anzusehen. Tatsächlich dürfte er deutlich oberhalb der Marke von 20 Prozent liegen.


Bekannt sind die Berufsgruppen, in denen der Gehaltszettel besonders niedrige Zahlen ausweist. 87 Prozent der Taxifahrer und 86 Prozent der Friseurinnen und Friseure sowie vier von fünf Reinigungskräften, aber auch mehr als drei Viertel der Beschäftigten in der Gastronomie müssen von Niedriglöhnen leben. Auch der Einzelhandel, Call Center und Zeitarbeitsfirmen bezahlen häufig wenig.


Außerhalb des normalen Arbeitsverhältnisses, dass eine Arbeitszeit von mehr als 30 Stunden voraussetzt, gibt es bei der Bezahlung große Unterschiede. Teilzeitkräfte verdienen mit durchschnittlich 14,45 Euro deutlich mehr als Zeitarbeiter mit 8,91 Euro oder Minijobber mit 8,19 Euro. Gerade Beschäftigten mit geringen Qualifikationen finden kaum noch einen regulären Job. Jeder zweite Hilfsarbeiter schlägt sich anders durch. Dabei ist der Wunsch nach einer Vollzeittätigkeit häufig vorhanden. Von den zehn Millionen Teilzeitkräften in Deutschland sagen 16 Prozent, dass dies nur eine Notlösung darstellt und sie lieber länger arbeiten würden.

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