Investieren ohne höhere Schulden
Wie lassen sich Wachstum und Sparen in Europa miteinander verbinden?
09. Mai. 2012 –
Die Arbeitslosigkeit in Griechenland beträgt mittlerweile 22 Prozent, inzwischen sitzen Nazis im Athener Parlament. Die europäische Sparpolitik, die das verschuldete Land eigentlich sanieren soll, führt zu zweifelhaften Ergebnissen. Auch wegen des Wahlsiegs der Sozialisten in Frankreich werden deshalb die Stimmen lauter, die einen Richtungswechsel verlangen. Wie aber könnte der Ausweg aussehen – lässt sich Wachstum finanzieren, ohne den Sparkurs zu verlassen?
Darauf, dass die Sparpolitik nicht aufgegeben werden dürfe, beharren bislang die Bundesregierung und die Bundesbank. Mit einer gewissen Berechtigung: Schließlich führte die alte Schuldenpolitik dazu, dass die augenblickliche Krise ausbrach. Vor dem europäischen Sondergipfel am 23. Mai, auf dem die Regierungen einen Wachstumsimpuls beschließen wollen, stellt sich deshalb die Frage, wie man diesen finanzieren könnte - wenn nicht durch abermals höhere Schulden.
Europäische Steuern
Zusätzliche Mittel sind nötig. Diese könnten die europäischen Staaten beispielsweise dadurch mobilisieren, dass sie gemeinsam ihre Steuern erhöhen. Dieser Sichtweise hat sich die Bundesregierung angeschlossen: Zusammen mit der französischen Regierung und einigen anderen Staaten versuchte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, eine neue Steuer auf Finanztransaktionen durchzusetzen. Weil allerdings Großbritannien sich sperrt, um die Banken in der Londoner City nicht zu sehr zu belasten, ist das Vorhaben einstweilen vertagt.
Nationale Abgaben
Weil der gemeinsame europäische Weg zur Zeit versperrt ist und die EU-Kommission ohnehin keine eigenen Steuern erheben darf, bestünde die Möglichkeit, dass einzelne Nationalstaaten aktiv werden. Für Deutschland sieht Ferdinand Fichtner ein gewisses „Potenzial“ für höhere Steuern. Der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) rät, den Spitzensteuersatz anzuheben und höhere Abgaben auf Vermögen zu beschließen. Mit einem Teil dieser Mittel könnte Deutschland ein europäisches Wachstumsprogramm mitfinanzieren.
Kredite an die Wirtschaft
Beim EU-Gipfel Ende Mai geht es unter anderem darum, dass die EU-Staaten ihre Kapitaleinlage bei der Europäischen Entwicklungsbank (EIB) in London erhöhen. Auf dieser Basis könnte die EIB mehr günstige Kredite an die Privatwirtschaft vergeben, was auch in Griechenland und Spanien Arbeitsplätze entstehen ließe. Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint ebenso dafür zu sein wie SPD-Chef Sigmar Gabriel.
EU-Mittel
Für die EU-Regionalpolitik stehen für den Zeitraum von 2007 bis 2013 insgesamt 347 Milliarden Euro zur Verfügung. Griechenland hat dabei einen Anspruch auf 20 Milliarden Euro, bislang aber nur acht Milliarden Euro abgerufen. Das liegt teilweise daran, dass das Land die notwendigen Eigenmittel nicht aufbringen konnte. Nun senkt die EU allmählich die Anforderungen. Mit Investitionen in Schulen, Universitäten, Forschung oder regenerative Energien könnte Griechenland erhebliche Wachstumsimpulse setzen. Projekte im Volumen von rund 12 Milliarden Euro entsprechen knapp sechs Prozent seines Bruttoinlandsprodukts.
Projektanleihen
Diese augenblicklich häufig diskutierte Idee basiert nicht auf zusätzlichem Geld, sondern auf Verschuldung - allerdings einer intelligenten Art. Die Euro-Staaten würden gemeinsame Anleihen herausgeben und die Einnahmen gezielt in wichtige Infrastrukturprojekte stecken, etwa transnationale Bahnnetze. „Zusätzliche Verschuldung kann sinnvoll sein, wenn sie nicht bloß Konsum, sondern Zukunftsinvestitionen finanziert“, sagt DIW-Forscher Fichtner.