„Irgendwo muss das Zeug hin“

Nach 50 Jahren Kernenergie wollen Bund und Länder parteiübergreifend ein Endlager für Atommüll suchen

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Von Wolfgang Mulke

11. Nov. 2011 –

So viel erklärte Gemeinsamkeit gibt es in der Politik selten. Ein „nationaler Konsens“, wie es Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) nennt, soll eine der heikelsten Zukunftsfragen Deutschlands beantworten. Wo soll der radioaktiv schwer verseuchte Atommüll am Ende dauerhaft gelagert werden? Bislang wurde nur der Salzstock im niedersächsischen Gorleben auf seine diesbezügliche Tauglichkeit untersucht. Die vor Jahrzehnten getroffene Vorfestlegung ist nun vom Tisch. Jetzt soll im ganzen Land nach geeigneten Lagerstätten gefahndet werden. Damit könnte ein Endlager auch in Baden-Württemberg, Bayern oder Nordrhein-Westfalen eingerichtet werden.


Die Bereitschaft dazu ist über die Parteigrenzen hinweg groß. Denn mit dem beschlossenen Ende des Atomzeitalters in Deutschland kann auch der ideologische Streit über die Kernkraft beerdigt und nach pragmatischen Lösungen gesucht werden. Auch die Grünen machen dabei wohl mit, weil der Schrott aus den Meilern nun einmal da ist. „Irgendwo muss das Zeug einfach hin“, sagt der Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann (Grüne). Das übliche Gezänk sei auch nicht angebracht, da dieser Vorgang „theologische Zeiträume umfasst.“ Der Atommüll muss für viele 1.000 Jahre sicher untergebracht werden.


Auf einen Fahrplan haben sich die Beteiligten nun geeinigt. Noch in diesem Jahr wird eine Arbeitsgruppe gebildet, der neben dem Bund die Länder Hessen, NRW, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Schleswig-Holstein und Niedersachen angehören. Deren Fachleute wollen sich über ein Auswahlverfahren für die Standortsuche verständigen. Gesucht werden wissenschaftliche Kriterien für einen geeigneten Ruheplatz, anhand derer die in Frage kommenden Stätten miteinander verglichen werden können.


Geklärt werden dabei auch grundlegende Entscheidungen. Soll der Müll oberirdisch unter weit unter der Erde gelagert werden? Soll das Lager wenn nötig auch wieder geräumt werden können? Sind Salzstöcke, Granit- oder Tongesteinsformationen am besten geeignet? „Wir wollen die beste und sicherste Lösung“, sagt NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD). Bis zum nächsten Sommer soll ein Gesetzentwurf erarbeitet werden, der das Auswahlverfahren festlegt. Danach machen sich Forscher auf die Suche. Fehler der Vergangenheit wollen Bund und Länder vermeiden. So sollen die Bürger an allen Schritten beteiligt werden. „Das Auswahlverfahren muss transparent und bürgernah sein“, versichert der bayrische Umweltminister Marcel Huber (CSU).


Rund 1,6 Milliarden Euro hat die Erkundung von Gorleben bisher gekostet. Der Salzstock ist auch zum Symbol des Widerstands gegen die Atomkraft geworden. Aus dem Rennen ist das Lager in Lüchow-Dannenberg noch nicht. Die Erkundung soll weiter gehen. Allerdings steht Gorleben auch für eine verloren gegangene Glaubwürdigkeit der Politik. Der Verdacht, rein politische Gründe haben vor 35 Jahren zum damals an der innerdeutschen Grenze liegenden Standort geführt, und nicht Sicherheitsaspekte, ist weit verbreitet.


Bis eine endgültige Entscheidung über das Endlager ansteht, werden noch Jahre vergehen. Dann sollen Bundestag und Bundesrat darüber entscheiden. Die ausgewählte Region muss sich dann in ihr Schicksal fügen. „Das Endergebnis wird die Betroffenen nicht erfreuen“, weiß Röttgen. Bis zu 40.000 Kubikmeter hochradioaktiver Reststoffe werden dorthin verfrachtet. So viel fällt bis zum Ende der Laufzeit der Atommeiler an. Dazu sitzt Deutschland dann noch auf 290.000 Kubikmetern schwach bis mittel verseuchtem Müll.







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