Je ländlicher, desto unverschämter

Besonders in kleinen Gemeinden müssen Bankkunden horrende Zinsen für Dispokredite zahlen

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Von Hannes Koch

20. Aug. 2013 –

Erstaunlich hohe Zinsen für Dispo-Kredite verlangen viele deutsche Banken den Verbrauchern ab. „Es sind meist kleine Volksbanken, Raiffeisenbanken und Sparkassen, die ihre Kunden so schröpfen“, sagte Hubertus Primus, Vorstand der Stiftung Warentest, am Dienstag in Berlin. Unter den sonst so geschmähten Großbanken nimmt nur die Targobank einen sehr hohen Zinssatz, so Primus.

 

Der Dispo ist der Zins, den die Bankkunden zahlen müssen, wenn ihr Girokonto in die roten Zahlen rutscht. Am niedrigsten lag der Satz in der deutschlandweiten Erhebung der Stiftung mit 4,2 Prozent pro Jahr bei der VR-Bank Uckermark-Randow nordöstlich Berlins. Am meisten verlangte demnach mit 14,75 Prozent die Volksbank Feldatal in Hessen.

 

Umgerechnet auf eine Verschuldung von 1.000 Euro bezahlte ein Kunde bei der preiswertesten Bank etwa acht Euro weniger monatlich für seinen Dispo als bei der teuersten. „Zinssätze von 13 Prozent und mehr, die wir bei 119 Banken gefunden haben, sind einfach inakzeptabel“, sagte Stephanie Pallasch, Projektleiterin der Stiftung Warentest. Die meisten Banken, die hohe Dispozinsen in Rechnung stellen, fand die Stiftung mit 44 in Bayern. In Nordrhein-Westfalen waren es 15, in Hessen 12, in Baden-Württemberg sieben und in Sachsen drei. In Brandenburg und Berlin lagen alle Institute unter 13 Prozent, was auch mit der dort eher armen Bevölkerung zu tun haben dürfte.

 

Überziehungskredite seien unbesichert und damit für die Banken die teuerste Form der Kreditgewährung, rechtfertigte Stephan Götzl, der Präsident des Genossenschaftsverbandes Bayern. Er warf der Stiftung Warentest Stimmungsmache im Wahlkampf vor.

 

Deren Vorstand Primus argumentierte, der Leitzins der Europäischen Zentralbank liege bei 0,5 Prozent. Die Banken könnten sich selbst also sehr billig Geld leihen. Ihre Dispo-Zinsen müssten deshalb „deutlich unter zehn Prozent“ liegen. Schließlich würden auch fast alle Kunden ihre entsprechenden Kredite zurückzahlen, das Ausfallrisiko sei sehr klein, so Primus.

 

Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten wie Österreich und Holland liegt das Zinsniveau in Deutschland außergewöhnlich hoch, erklärte die Stiftung. Vor allem die Kunden in Kleinstädten und ländlichen Regionen bezahlen mehr als nötig. Der Grund: Dort gibt es oft nur einen Anbieter in erreichbarer Nähe. Diese Bank kann den Verbrauchern dann die Bedingungen diktieren. In größeren Städten dagegen herrscht mehr Wahlmöglichkeit und Konkurrenz.

 

Ein ähnliche Untersuchung hat die Stiftung bereits vor einem Jahr durchgeführt. Die damit hergestellte Transparenz habe dazubeigetragen, die Kreditkonditionen zu verbessern. So sei der Durchschnittszins für Dispokredite von 11,76 Prozent 2012 auf 11,31 Prozent Mitte 2013 gefallen. Nicht alle Banken freilich hatten großes Interesse, an der Untersuchung teilzunehmen. Etwa 600 Institute hätten die Tester persönlich besuchen müssen, um herauszufinden, wo die Dispozinsen genau lagen.

 

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat unlängst eine Obergrenze für Dispozinsen von acht Prozentpunkten über dem Leitzins gefordert, die Linkspartei verlangte einen Abstand von höchstens fünf Punkten. Verbraucherministerin Ilse Aigner regte an, ein Vergleichsportal im Internet zu gründen, um den Kunden die nötigen Informationen zu verschaffen.

 

Mit der aktuellen Untersuchung auf der Webseite der Stiftung Warentest existiert dieses Portal quasi schon. Mit wenigen Ausnahmen: 26 Institute verweigerten die Mitwirkung. Selbst beim persönlichen Besuch konnten die Tester dort den aktuellen Dispozinssatz nicht in Erfahrung bringen. Nach Ansicht von Stiftungsvorstand Primus verstoßen diese und andere Institute gegen das Gesetz, das die Veröffentlichungen solcher Informationen auf den Internetseiten der Banken vorschreibt.

 

Eine gesetzliche Obergrenze für Dispozinsen und Ähnliches wird gegenwärtig nicht festgelegt. Die Institute müssen nur selbst einen Referenzwert veröffentlichen, beispielsweise den Leitzins der EZB. So können die Kunden sehen, wie groß der Abstand zum Dispozins ist. Wegen Wuchers können die Gerichte nach Einschätzung von Stiftungsvorstand Primus erst dann gegen Banken einschreiten, wenn der Zins eine exorbitante Höhe von vielleicht 25 Prozent erreichte. Grundsätzlich wäre es freilich leicht, eine gesetzliche Obergrenze einzuführen. Bundestag und Bundesrat müssten eine entsprechende Regelung mit Mehrheit verabschieden.

 

Info-Kasten

Fragen, verhandeln, wechseln

In ihrer aktuellen Studie hat die Stiftung Warentest alle 1.538 deutschen Banken untersucht, die Girokonten anbieten. Der Durchschnitt der Dispozinsen lag bei 11,31 Prozent. 94 Banken verlangten 8,5 Prozent oder weniger. Den Kunden gibt die Stiftung den Rat, nicht alles zu akzeptieren, was eine Bank vorschreibt. Man könne auch verhandeln – oder das Institut wechseln, wenn sich die Mitarbeiter stur stellten. Mitunter sind dem aber Grenzen gesetzt. In manchen Gegenden gibt es nur eine Bank, die beispielsweise Geldautomaten betreibt. Wohin soll man wechseln, wenn kein Wettbewerb herrscht?

Informationen über alle Banken und ihre Dispokonditionen gibt es hier:

www.test.de/dispo

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