Jobcenter muss Kinderbett bezahlen

Urteil des Bundessozialgerichtes. Wohlfahrtsverband fordert höhere Grundsicherung

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Von Hannes Koch

23. Mai. 2013 –

Ob Hartz IV zum Leben ausreicht, ist eine umstrittene Frage. Dass die staatliche Basisleistung von derzeit maximal 382 Euro monatlich zu knapp bemessen sein könnte, deutet nun eine grundsätzliche Entscheidung des Bundessozialgerichts an. Die Richter in Kassel urteilten, dass das Jobcenter das neue Kinderbett für einen dreijährigen Jungen zusätzlich zum Regelsatz finanzieren müsse.


„Ich kann mein Kind nicht ein Leben lang im Babybett schlafen lassen“, begründete die 41jährige Frau aus Freiburg, die namentlich nicht genannt werden möchte, ihren Anspruch. Das Gitterbett sei für ihren dreijährigen Sohn einfach zu klein geworden. Für 272,25 Euro kaufte sie ein größeres Bett. Dieses aber wollte das Jobcenter nicht bezahlen. Sozialgericht und Landesgericht verneinten den Anspruch ebenfalls.


Die höchste Instanz der Sozialgerichtsbarkeit entschied die Sache am Donnerstag anders. Sie erweiterte den Begriff der „Erstausstattung der Wohnung“, die laut Gesetz neben dem Regelsatz zusätzlich vom Staat finanziert werden muss. Eine „Erstausstattung“ ist demnach nicht nur beim Umzug in eine andere Wohnung oder bei der Geburt eines Kindes notwendig, sondern auch beim Beginn einer neuen Lebensphase – etwa, wenn die Kinder größer werden.


Der Paritätische Wohlfahrtsverband findet diese Einschätzung richtig. Präsident Urich Schneider bezeichnete das Urteil als „Sieg der Alltagsvernunft“. Gleichzeitig forderte er Bundestag und Bundesregierung auf, „die Regelsätze auf ein bedarfsgerechtes Niveau zu erhöhen“.


Das Urteil befeuert damit die Debatte darüber, ob die Bundesregierung die etwa sechs Millionen Empfänger staatlicher Grundsicherung finanziell zu knapp hält. Diese müsse, so hatte vor drei Jahren das Bundesverfassungsgericht angemahnt, nicht nur das nackte Überleben, sondern ein menschenwürdiges soziokulturelles Existenzminimum gewährleisten. Trotzdem decke der Regelsatz zumindest bei „Kindern und Jugendlichen das Existenzminimum nicht ab“, sagt etwa der grüne Bundestagsabgeordnete Markus Kurth.


Derzeit betragen die Regelsätze der Grundsicherung beispielsweise 382 Euro monatlich für Erwachsene und 224 Euro für Kinder bis zum fünften Lebensjahr. Berechnet werden die Summen auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes. Diesen Verbrauch durchschnittlicher deutscher Haushalte rechnet das Bundesarbeitsministerium auf den vermeintlichen Mindestbedarf ärmerer Menschen herunter. Dabei werden Ausgaben beispielsweise für Haustierfutter, Alkohol, Tabak, Gartenpflege oder den Privatwagen gestrichen. Übrig bleibt der Regelsatz.


Die Sozialverbände argumentieren, infolge dieser Berechnung würden die realen Lebenshaltungskosten systematisch missachtet. Ein Beispiel: Von 2012 auf 2013 stieg der Regelsatz um acht Euro. Alleine die Preissteigerung beim Strom machte für Durchschnittshaushalte aber rund vier Euro aus. Die übrigen vier Euro dürften kaum reichen, die Kostensteigerung aller anderen Bedarfsartikel zu finanzieren. Dagegen argumentiert das Bundesarbeitsministerium unter anderem, das garantierte Existenzminimum müsse geringer ausfallen als geringe Arbeitslöhne. Nur so bleibe der Anreiz erhalten, einen neuen Job zu suchen.


Info-Kasten

Existenzminimum

Bundesbürgern, die sich nicht selbst finanzieren können, bezahlt der Staat einen Mindestbedarf. Dieser wird einerseits gewährleistet durch die Grundsicherung. Andererseits überweisen die Ämter Zuschüsse in begrenzten Ausnahmefällen (beispielsweise Erstausstattung einer Wohnung), übernehmen die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, sowie die Miete und Heizkosten.

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