Kartellamt nimmt weitere Firmen ins Visier

Preisabsprachen bei Lebensmitteln schon seit 2005? / Schaden schwer zu beziffern

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Von Wolfgang Mulke

15. Jan. 2010 –

Das Bundeskartellamt nimmt immer mehr Hersteller und Einzelhändler der Lebensmittelbranche ins Visier. Mittlerweile werde gegen insgesamt 24 Unternehmen ermittelt, erläutert der Sprecher der Behörde, Kay Weidner. Das Amt hegt den Verdacht, dass Produzenten und Endverkäufer die Preise für bestimmte Produkte, vor allem Süßwaren und Tierfutter, miteinander abgesprochen haben. „Es ging überwiegend um Preisuntergrenzen“, sagt Weidner.

 

Da derlei Vereinbarungen verboten sind, suchen die Beamten nun wegen möglicher Verstöße gegen das Kartellrecht nach Beweisen in beschlagnahmten Computern, Akten  oder Handys. Die Daten hatten mehrere Dutzend Fahnder am Donnerstag bei Durchsuchungen der Betriebe sichergestellt. Betroffen sind die großen Einzelhandelsketten ebenso wie Markenproduzenten. Sollte sich der Verdacht erhärten, drohen den Unternehmen gewaltige Bußgelder. Fast 160 Millionen Euro mussten vor kurzem erst Kaffeeröster bezahlen, weil sie den Preis für die Bohnen per Absprache hoch gehalten haben.

 

Die Behörden gehen von einem ungewöhnlichen Kartell aus, weil zwei Ebenen miteinander gekungelt haben sollen. Untersucht wird, ob Markenhersteller Händler dazu gebracht haben, für ihre Produkte einen Mindestpreis zu erheben und sich auf diese Weise attraktive Margen zu sichern. Die Absprachen sollen seit 2005 laufen. Von der großen Verschwörung zu Lasten der Kunden gehen die Ermittler aber nicht aus. Treffen die Vermutungen zu, gibt es eine Fülle von Einzelabsprachen in der Branche. Erlaubt ist der Einfluss der Produzenten auf die Verkaufspreise nicht. Allenfalls eine unverbindliche Preisempfehlung darf bei der Lieferung der Ware mitgegeben werden.

 

Nun geht es an die Auswertung der beschlagnahmten Ordner und Festplatten. Das wird nach Einschätzung der Wettbewerbshüter Monate dauern, weil so viele Unternehmen beteiligt sind. Die Razzia wurde nicht ins Blaue hinein gestartet. Offenkundig haben Beteiligte an den verschiedenen Preiskartellen ausgepackt, um mit einer milderen Strafe davon zu kommen. Es werde mit mehreren Unternehmen kooperiert, heißt es aus Kreisen der Ermittler.

 

Auf die Sünder warten hohe Geldbußen. „Wir müssen abschrecken“, kündigt Weidner an. Bis zu zehn Prozent des letzten Jahresumsatzes kann das Strafgeld ausmachen. Der Rahmen wurde allerdings noch nie vollständig ausgeschöpft. Selbst die Rekordstrafe für den Chiphersteller Intel von gut einer Milliarde Euro entsprach gerade einmal zwei Prozent des Konzernumsatzes. Die Bußgelder könnten sich im aktuellen Fall schnell auf einen dreistelligen Millionenbetrag summieren. Die Höhe richtet sich nach der Schwere und Dauer der Tat. Aktive Mithilfe bei der Aufklärung wird mit einem Nachlass belohnt. Früher kamen die Kartellwächtern Sünder kaum einmal auf die Spur. Das hat sich geändert, seit es eine Kronzeugenregelung gibt. Nun plaudern Mittäter eher, weil sie dann billiger davon kommen.

 

Illegale Absprachen gehen zu Lasten der Kunden im Supermarkt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) spricht von einem „Milliardenbetrug“. Um welche Summe die Kunden tatsächlich geprellt wurden, lässt sich kaum errechnen. „Es ist unheimlich schwierig“, räumt vzbv-Rechtsexpertin Jutta Gurkmann ein. Angesichts hoher Extragewinne aus den Preisabsprachen erscheinen die hohen Strafzahlungen in einem anderen Licht.

 

Den vzbv ärgert, dass Schadenersatzansprüche von ihrem Verband nicht stellvertretend für alle Kunden eingeklagt und die zu Unrecht erzielten Gewinne eingezogen werden können. Der Entwurf einer entsprechenden EU-Richtlinie ist bislang nicht umgesetzt worden. „Es darf nicht sein, dass die Unternehmen trotz der Geldbuße Gewinne einfahren“, kritisiert Gurkmann. Verbraucherministerin Ilse Aigner hat bereits eine indirekte Entschädigung der Verbraucher ins Spiel gebracht. Die Ministerin will die verhängten Bußgelder an Verbraucherorganisationen weiter leiten. Bislang wandern diese Einnahmen direkt in den Bundeshaushalt.

 

 

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