Kaufleute haften bis zum Ruin

Den eingetragene Kaufmann ist kein geläufiger Begriff / Schlecker hätte sich leicht gegen den persönlichen Bankrott absichern können

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Von Wolfgang Mulke

02. Feb. 2012 –

Einen Satz der Pleitepressekonferenz der Drogeriekette Schlecker nahmen fast alle Medien auf. „Es ist nichts mehr da“, bekannte die Tochter des Firmengründers, Meike Schlecker. Das Vermögen ihres Vaters Anton sei der Filialist gewesen. Vielen Beobachtern fällt es schwer zu glauben, dass aus der steinreichen Familie praktisch über Nacht arme Kirchenmäuse geworden sein sollen.

Doch das ist durchaus möglich, weil das Unternehmen in der Rechtsform des eingetragenen Kaufmanns (e.K.) geführt wurde. Diese juristische Bezeichnung hört man selten. Doch gut zwei Drittel der über drei Millionen Unternehmen in Deutschland werden von einzelnen Kaufleuten geführt. Die Bezeichnung Einzelunternehmer ist dafür weitaus geläufiger.

Die Rechtsform entscheidet über verschiedene Rechten und Pflichten der jeweiligen Firma. So müssen die Aktiengesellschaften (AG) oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) zum Beispiel ihre Bilanzen veröffentlichen. Der e.K ist die einfachste und kostengünstigste Gründung eines Unternehmens. Das Einzelunternehmen haben gewichtige Vorteile und einen ebenso schwerwiegenden Nachteil für den Kaufmann. Auf der Habenseite steht, dass dem Inhaber niemand reinreden kann, weil es keine anderen Anteilseigner, etwa Aktionäre oder Gesellschafter, gibt. Und die wirtschaftlichen Verhältnisse können geheim gehalten werden, das keine Pflicht zur Veröffentlichung einer Bilanz gibt. Dem steht die vollständige private Haftung des Inhabers für alle finanziellen und sonstigen Verpflichtungen der Firma gegenüber. Das unterscheidet den Kaufmann von der AG und der GmbH.

Sehr häufig führt die Insolvenz eines Einzelunternehmens deshalb auch direkt zur Privatinsolvenz ihres Besitzers. Denn wenn die Zahlungsverpflichtungen nicht von der Firma erfüllt werden können, holen sich die Gläubiger ihr Geld beim Eigentümer. So hat wohl auch Anton Schlecker immer wieder Millionenbeträge aus dem Privatvermögen auf das Firmenkonto überwiesen, bis am Ende nichts mehr da war. Auch Immobilien oder Wertgegenstände wie Kunstwerke und Luxuskarossen können im Ernstfall von den Gläubigern gepfändet werden.

Das besondere am Fall des Drogisten ist seine Größe und das damit zwangsläufig verbundene gewaltige Haftungsrisiko. 2009 weist die Statistik gerade einmal ein halbes Dutzend Unternehmen mit über 250 Millionen Euro Umsatz aus, die als e.K. Firmieren. Denn für wenige Tausend Euro kann sich der Unternehmer von der Haftung befreien, in dem er zum Beispiel eine GmbH gründet, für die er wenigstens 25.000 Euro Stammkapital nachweisen muss. Geht die Gesellschaft pleite, ist für die Gläubiger nicht mehr zu holen als das verbliebene Vermögen der Firma. Privat kann der Unternehmer dann womöglich früher ausgeschüttete Gewinne in Ruhe weiter genießen.

Warum Schlecker das Haftungsrisiko eingegangen ist, lässt sich schwerlich sagen. Vermutlich hat er mit einer so zugespitzten Entwicklung nie gerechnet. Die private Insolvenz bedeutet auch nicht zwangsläufig, dass von nun an Wasser und trockenes Brot auf dem Speiseplan stehen. Auch wenn Anton Schlecker ruiniert ist, könnte in der Familie zum Beispiel durch frühere Schenkungen immer noch genügend Vermögen für alle Mitglieder vorhanden sein.

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