Kein Börsengang vor der Wahl

Bundesregierung will Bahn nicht verschleudern / Tiefensee sieht sich als Sieger

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Von Wolfgang Mulke

06. Nov. 2008 –

Mit dem Börsengang der Bahn wird es vor der Bundestagswahl wohl nichts mehr. Angesichts der niedrigen Börsenkurse sieht das Bundesfinanzministerium derzeit keine Möglichkeit, die Unternehmensaktien zu einem akzeptablen Preis an den Mann zu bringen. Die Bundesregierung wolle kein Vermögen verschleudern, hieß es am Mittwoch nach der Kabinettssitzung in Berlin. „Deshalb gab es eine Absage des Börsengangs“, sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Das Finanzministerium hat die erhofften Erlöse aus dem Aktienverkauf nicht im Haushaltsentwurf des kommenden Jahres eingeplant. Nur bei einer schnellen Erholung der Börsenkurse ist ein neuerlicher Anlauf denkbar. Das ist unwahrscheinlich.

 

Mit der Verschiebung auf einen nicht absehbaren neuen Termin für die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn will die Bundesregierung auch den Streit um Bonuszahlungen für den Bahnvorstand beenden. Ein Vertrag sieht sechs- bis siebenstellige Tantiemen für die Chefetage bei einem gelungenen Börsengang vor. Tiefensee will die Regelung kippen. Dabei hat sein Staatssekretär die Vereinbarung mit ausgehandelt, seinen Chef aber angeblich nicht darüber informiert. Tiefensee hat sich in dieser Sache in Widersprüche verwickelt und sieht sich nun Rücktrittsforderungen ausgesetzt. Der Finanzminister sprang dem angeschlagenen Verkehrsminister nun erstmals zur Seite. „Wenn es zu einem Börsengang kommt, wird es eine solche Regelung nicht geben“, stellte Peer Steinbrück klar.

 

Wie der Vertrag über die Sondervergütungen aufgelöst werden soll, ließ die Bundesregierung offen. Bisher verweigert sich der Bahn-Aufsichtsrat, der Aufforderung zu folgen. Erzwingen lässt sich ein Einlenken nicht. Je nach Erlös des Verkaufs von knapp 25 Prozent der Anteile an den Transportgesellschaften der Bahn sollten die Vorstände zwischen 100.000 Euro und 1,4 Millionen Euro kassieren. Derartige Erfolgsprämien sind in der Wirtschaft üblich. Bei einem Bundesunternehmen sehe dies anders aus, betonte Tiefensee, der sich in dem Streit nun als Sieger sieht.

 

Ausgestanden ist der Konflikt dennoch nicht. Tiefensee behauptet, sein Staatssekretär habe ihn erst Mitte September, fast drei Monate nach Abschluss der Vereinbarung, informiert. Der Beamte musste inzwischen gehen. Es kursieren aber Gerüchte, dass Tiefensee sehr wohl von Anfang an eingeweiht war. Der Verkehrsminister musste sich vor Bundestagsausschüssen befragen lassen, wann er denn von den fraglichen Verträgen Kenntnis erhalten hat. „Es sind Widersprüche geblieben“, kritisierte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen Winfried Hermann den SPD-Politiker im Anschluss. Der Minister habe sein Haus nicht im Griff und müsse daher zurücktreten. Auch die FDP will Tiefensee aus dem Amt drängen. Der Minister selbst ist dem Vernehmen nach nur knapp einer Abberufung entgangen. Die SPD-Spitze habe angesichts der Boni-Affäre getobt, heißt es in Parteikreisen. Nur das Desaster in Hessen habe bewirkt, dass die Sozialdemokraten ihren Minister nicht zurückzogen.

 

 

 

 

 

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