Kein Durchblick mehr bei Lebensmitteln

Aufgrund fehlender Regeln sind Kunden im Supermarkt überfordert / Verbraucherzentralen fordern klare Bezeichnungen auf Nahrungsmitteln

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Von Wolfgang Mulke

18. Apr. 2012 –

Immer wieder wirbt die Lebensmittelindustrie um das Vertrauen der Kunden. Doch die Reklamesprüche halten weiterhin oft nicht, was sie versprechen. Mittlerweile sind allein auf der Internetseite Lebensmittelklarheit 200 irreführende Produkte aufgeführt. Der Schokopudding „in Love“ enthält zum Beispiel gerade einmal drei Prozent Schokolade. In einer Rote Beeren Fruchtschnitte findet sich lediglich Saftkonzentrat der von Himbeeren oder die Wildwurst enthält nur ein Drittel Fleisch aus dem Wald, der Rest kommt vom Schwein. „Es ist die Spitze des Eisbergs“, sagt Hartmut König von der Verbraucherzentrale Hessen.


Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) ist inzwischen überzeugt, dass die Kunden im Supermarkt die Qualität von Müslis, Milchprodukten oder Fertiggerichten gar nicht mehr selbst einschätzen können. „Verbraucher haben nur den Preis als verlässliche Angabe“, glaubt vzbv-Chef Gerd Billen, „sie fühlen sich getäuscht und in die Irre geführt.“ Das ist auch das Ergebnis einer Studie, die der Verband in Auftrag gegeben hat. Zwischen den Werbeaussagen und der tatsächlichen Qualität klafft demnach eine große Lücke.


Viele Kunden wollen regionale Produkte oder legen auf den Tierschutz wert. Manche Herstellern gaukeln auf der Verpackung eine heile Welt vor, bei der die Tiere zum Beispiel glücklich auf der Wiese stehen. „In Deutschland stehen mehr Kühe im Stall als auf der Weide“, hält die Autorin der Studie, Anke Zühlsdorf, dagegen. Die höhere Qualität der Weidemilch lassen sich Verbraucher gerne auch etwas mehr kosten. Doch der Begriff wird von den Molkereien ganz unterschiedlich ausgelegt. Hansano verweist lediglich darauf, dass die Milch aus norddeutschen Grünlandregionen stammt. Bei Campina müssen die Kühe an 120 Tagen im Jahr wenigstens sechs Stunden lang Weidegang haben. Der Kunde im Supermarkt kann diese Unterschiede nicht kennen und daher gar keine vernünftige Entscheidung treffen.


Mit der Überforderung und den schlechten Erfahrungen geht ein Vertrauensverlust einher. Schlimmer noch. Laut Zühlsdorf entsteht durch die Werbung mit nicht existenten Qualitätsmerkmalen eine Spirale, bei der der die Produkte am Ende immer schlechter werden. Denn die lauteren Firmen hätten im Wettbewerb gegen die Billigheimer keine Chance mehr und müssten selbst weniger gute Zutaten verwenden. „Es profitieren die Anbieter, die es beim versprechen lassen“, kritisiert Billen.


Deshalb fordert der vzbv klarere Regeln für die Bezeichnung von Lebensmitteln und zusätzliche staatliche Siegel, zum Beispiel für regionale Produkte oder den Tierschutz, nach dem Vorbild des Biosiegels. Auch würde der Verband gerne durchsetzen, dass Lebensmittel so bezeichnet werden, dass der Kunde weiß, was er kauft. Das bestimmt derzeit eine Kommission, die das Lebensmittelbuch erarbeitet. In dem Gremium sitzen die Lebensmittelkontrolleure zusammen mit der Wirtschaft, Verbraucherschützer und Forschern. Doch jede Gruppe kann ein Veto einlegen. So kann die Wirtschaft verhindern, dass allzu einschränkende Verordnungen erlassen werden und in der Kalbswiener beispielsweise auch Schweinefleisch verarbeitet werden kann.





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