Kein Unternehmen kann sich Kundenfreundlichkeit verschließen
Zugverspätung, verlorene Koffer oder Buspanne: Seit dem 1. Dezember 2009 hilft die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp) Reisenden bei Problemen mit Verkehrsunternehmen. Leiter Edgar Isermann beantwortet die wichtigsten Fragen rund
08. Jan. 2010 –
Mandy Kunstmann: Was leistet die Schlichtungsstelle?
Edgar Isermann: Wenn Kunden Probleme mit der Reise haben, können sie sich an die Schlichtungsstelle wenden. Zuvor müssen sie aber ihre Beschwerde an das Verkehrsunternehmen gerichtet haben. Erst wenn sie keine zufrieden stellende Antwort erhalten, werden wir tätig. Wir prüfen dann das Anliegen und unterbreiten den Parteien einen Vorschlag.
Kunstmann: Ein Vorschlag ist aber nicht verbindlich.
Isermann: Richtig, wir geben eine Empfehlung ab. Diese kann, muss aber nicht, vom Kunden und dem Verkehrsunternehmen akzeptiert werden. Ist schon eine Partei nicht einverstanden, sind unsere Möglichkeiten ausgeschöpft. Jetzt hilft nur noch der Weg über den Anwalt.
Kunstmann: Kann sich jeder Reisende an sie wenden?
Isermann: Im Prinzip ja. Ist das Verkehrsunternehmen, mit dem es Probleme gibt, nicht Mitglied des Trägervereins der Schlichtungsstelle, können wir allerdings nicht so tätig werden als wenn es das wäre. Wir können bei dem Unternehmen anfragen, ob es Mitglied werden möchte und sich dem Schlichtungsverfahren anschließt. Zurzeit nimmt noch keine Airline an dem Verfahren teil.
Kunstmann: Was würden die Fluggesellschaften denn davon haben, bei Ihnen Mitglied zu sein. Die Mitgliedschaft kostet ja sicherlich etwas.
Isermann: Natürlich ist die Mitgliedschaft nicht kostenlos. So finanzieren wir uns schließlich. Die Teilnahme am Schlichtungsverfahren führt zu mehr Kundenfreundlichkeit, der sich heute kein Verkehrsunternehmen mehr verschließen kann. Und Gerichtsverfahren sind für alle Beteiligten auf Dauer teurer.
Kunstmann: Würden Sie es gut heißen, wenn Fluggesellschaften per Gesetz Mitglied der Schiedsstelle werden müssten?
Isermann: Ich würde es sehr begrüßen, wenn alle Verkehrsunternehmen freiwillig unserem Trägerverein beitreten würden. Eine schnelle und kostengünstige Streitbeilegung ist für Kunden und auch Unternehmen günstiger. In der Koalitionsvereinbarung der neuen Bundesregierung gibt es eine Absichtserklärung für eine gesetzliche Regelung.
Kunstmann: Wo erwarten Sie die häufigsten Reiseprobleme?
Isermann: Aus aktueller Sicht wird es sehr viele Beschwerden wegen Zugverspätungen geben. Das Thema sorgt generell für Ärgernis bei den Kunden. Oft gibt es auch Probleme bei der BahnCard.
Kunstmann: Warum gerade bei der BahnCard?
Isermann: Nicht allen ist klar, dass sich ihr Vertrag nach einem Jahr automatisch verlängert. Hier geht es um die ausreichende Aufklärung zum Vertragsinhalt.
Kunstmann: Wie lange dauert ein Schlichtungsverfahren eigentlich?
Isermann: Manchmal ist alles innerhalb von zwei Wochen erledigt. Es kann aber auch länger dauern. Die Unternehmen haben vier Wochen Zeit, um eine Stellungnahme zur Beschwerde abzugeben. Da es unsere Stelle aber erst seit Anfang Dezember 2009 gibt, haben wir noch keine ausreichenden Erfahrungswerte sammeln können.
Kunstmann: Kostet die Schlichtung etwas?
Isermann: Für den Reisenden ist das Verfahren kostenlos. Es müssen lediglich die eigenen Kosten, zum Beispiel Porto für den Schriftverkehr oder Telefongebühren, getragen werden. Der Weg über das Gericht ist teurer – meist für alle Beteiligten.
Bio-Box: Edgar Isermann ist Leiter der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr. Von 1973 bis 2009 war der 65-Jährige in der niedersächsischen Justiz tätig, zuletzt als Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig. Er Mitglied des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs und Vorsitzender der Einigungsstelle für Personalvertretungsangelegenheiten beim Niedersächsischen Finanzministerium.