„Keine Inflation auf breiter Front“

Die Zinserhöhung der EZB sei falsch, sagt Wirtschaftsforscher Gustav Adolf Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie in Düsseldorf

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Von Hannes Koch

03. Jul. 2008 –

Hannes Koch: Die Europäische Zentralbank hat am Donnerstag ihren Leitzins auf 4,25 Prozent erhöht. Halten Sie diese Entscheidung für richtig oder falsch?

Gustav Adolf Horn: Eindeutig falsch. Die EZB will damit die Inflation bekämpfen. Das wird ihr jedoch nicht gelingen. Denn die aktuellen Preissteigerungen sind importiert. Sie kommen aus dem Ausland. Die Zinserhöhung schadet der europäischen Industrie, weil sie Kredite und Investitionen verteuert. Die Öllieferanten, um die es eigentlich geht, trifft sie hingegen nicht. Dieser Schuss geht nach hinten los.

Koch: Die importierte Inflation kann auch Preissteigerungen im Inland verursachen. Diese will die Zentralbank verhindern.

Horn: Wir haben keine inländische Inflation auf breiter Front. Der Preisanstieg ist sehr selektiv. Es geht vor allem um Rohstoffe, Energie und Nahrungsmittel. Einige wichtige Güter werden teurer, allerdings bei weitem nicht alle.

Koch: Wenn die Preise für Lebensmittel, Heizöl, Benzin und Strom erheblich steigen, liegt es nahe, dass die Gewerkschaften dies als Argument für höhere Lohnabschlüsse nutzen. Liegt darin eine Gefahr, der die EZB vorbeugen muss?

Horn: Nein, die Lohnabschlüsse des vergangenen Jahres heizen die Inflation nicht an. Sie sind stabilitätsgerecht. Und auch gegenwärtig fordern die Gewerkschaften keine Erhöhungen, die den vertretbaren Rahmen überschreiten.

Koch: Wie hoch dürfen Lohnerhöhungen zur Zeit sein, um die Inflation nicht zu verschärfen?

Horn: Wenn die effektiv ausgezahlten Bruttolöhne dieses Jahr gesamtwirtschaftlich um drei bis vier Prozent stiegen, sähe ich keine Probleme. Wahrscheinlich bleiben die Tarifpartner aber noch darunter: Wir erwarten, dass die Effektivlöhne um weniger als drei Prozent zunehmen.

Koch: Was können die Zentralbank oder die Politik überhaupt tun, um die importierte Inflation zu dämpfen?

Horn: Kurzfristig nichts. Die steigenden Preise entstehen im Ausland und entziehen sich unserer Kontrolle. Wir haben keinen Einfluss auf die Explosion der Nachfrage in China. Wir können das Problem nur mittel- und langfristig angehen: Investitionen in erneuerbare Energien mindern beispielsweise unsere Abhängigkeit vom Öl und machen uns unempfindlicher für den Anstieg des Ölpreises.

Koch: Die Preissteigerungen treffen ärmere Menschen, die einen großen Teil ihres Geldes für Grundbedarfsartikel wie Lebensmittel und Energie ausgeben, stärker als Wohlhabende. Wie lassen sich die sozialen Auswirkungen der Inflation lindern?

Horn: Die Last der Inflation ist in der Tat sehr ungleich verteilt. Wenn man Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkommen unterstützen will, könnte man Sozialtarife für Energie einführen. Ärmere Leute würden für die Basisversorgung dann weniger bezahlen. Darüber sollte die Regierung mit den Energieversorgern sprechen.

Koch: Nachfrageorientierte Ökonomen wie Sie haben in den vergangenen Jahren die US-Notenbank Fed gelobt, weil sie oft mit niedrigen Zinsen die Wirtschaft unterstützt hat. Hat die Fed mit ihrer Politik des großzügigen Geldangebotes nicht sowohl den Anstieg der Immobilienpreise als auch die gegenwärtige Inflation gefördert?

Horn: Das sehe ich nicht. Der Preisanstieg ist ein globales Phänomen und nicht auf die USA beschränkt. Außerdem fand die Expansion der Immobilienkredite in den USA statt, nachdem die Fed die Zinsen schon mehrmals angehoben hatte.

Koch: Sie sagen, die Inflation werde getrieben durch die Rohstoff- und Energiepreise. Haben wir es auch mit einer neuen Art der Inflation zu tun, die durch Finanzmarkt-Spekulationen mit Getreide, Öl und Häusern zustandekommt?

Horn: Indem die Finanzmärkte Wetten auf die Zukunft abschließen, treiben sie die Preise mitunter schneller nach oben, als dies die Realwirtschaft tun würde.

Koch: Spekulation hat es doch immer gegeben.

Horn: Aber die Summen, die im Spiel sind, nehmen zu. Investoren auf den Finanzmärkten sind heute wesentlich einflussreicher als früher.

Koch: Wie kann die Politik dieser Spekulation beikommen?

Horn: Die Zinspolitik ist dazu jedenfalls ungeeignet. Sie zielt auf die Finanzmärkte, trifft aber auch die einheimische Industrie. Sinnvoll wäre es dagegen, die Regulierung des Finanzmarktes zu verbessern. Wenn Investoren beispielsweise mehr eigenes Kapital als Sicherheit nachweisen müssten, hätten sie weniger Spielraum für risikoreiche Geschäfte.

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