Keine Langzeitlösung

Grenzkontrollen an der türkisch-griechischen Grenze sollen den Flüchtlingsstrom bremsen. Doch Zäune werden die verzweifelten Menschen auf Dauer nicht aufhalten.

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19. Okt. 2015 –

Ohne die Türkei wird Europa die Flüchtlingskrise mittelfristig nicht in den Griff bekommen. Die meisten Flüchtlinge, die sich entscheiden, den langen Weg nach Europa- und Deutschland zu nehmen, kommen über die Türkei. Bei ihrem Besuch in Istanbul am Sonntag wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel den türkischen Staatschef Recep Erdogandeshalb dazu bringen, Flüchtlinge an der griechisch-türkischen Grenze aufzuhalten und in die Türkei zurückzuschicken. Langfristig ist das aber sicher keine Lösung der Flüchtlingskrise.

Die Grenzen dicht machen „wird nicht klappen“, wie die Bundeskanzlerin selbst sagte. Hohe Zäune und verstärkter Grenzschutz der griechischen Küste halten Flüchtlinge nicht auf. Eher treiben sie die Menschen zu verzweifelten Aktionen, zwingen sie dazu, ihr Leben zu riskieren, um den sicheren Hafen Europa zu erreichen. Denn die Flüchtlinge haben in der Türkei keine Perspektive. Sie erhalten keinen Flüchtlingsstatus, dürfen nicht arbeiten und haben nur eingeschränkten Zugang zum Schul- und Gesundheitssystem. Die Türkei ist eine Notunterkunft für zweieinhalb Millionen Flüchtlinge.

Lange Zeit ging das gut. Syrische Flüchtlinge haben darauf gehofft, dass der Krieg – und damit ihre Flucht - nicht ewig dauern werden. Für einen begrenzten Zeitraum mag der Gaststatus, den die Türkei den Flüchtlingen gibt, ertragbar sein. Doch ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Er eskaliert weiter. Der Islamische Staat hat das Machtvakuum in Syrien gnadenlos ausgenutzt, die Regionalmächte streiten um die Vorherrschaft im Nahen Osten. Außerdem sind sowohl Russland als auch die USA tief in den Konflikt verstrickt. Der Krieg wird wohl noch eine ganze Weile andauern.

Deshalb muss sich die Bundesregierung langfristig stärker dafür einsetzen, wieder Sicherheit und Ordnung im Mittleren Osten zu schaffen. Nur wenn der Krieg beendet ist und keine Bomben mehr fallen, kann die syrische Bevölkerung in ihr Land zurückkehren. Bis dahin muss die Türkei dafür sorgen, dass die Flüchtlinge auch angemessen untergebracht und versorgt werden. Ankara muss endlich eingestehen, dass die Flüchtenden nicht nur ein paar Monate bleiben und ihnen eine entsprechende Perspektive für ihren Aufenthalt geben. Sonst werden immer mehr Menschen in der Türkei ihre Zelte abreißen und sich auf den Weg nach Europa machen - mit oder ohne Grenzkontrollen.

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