Kleine Teile bringen große Verwirrung
Nanotechnologie ist für viele Verbraucher ein Fremdwort / Tolle Produkte, aber fehlende Kennzeichnung / Wachsende Skepsis
13. Jun. 2008 –
Den kleinsten Helfern der Industrie werden wunderbare Dinge nachgesagt. Nanoteilchen reparieren bei Autolacken selbständig kleine Kratzer, verhindern die üblichen weißen Schlieren beim Eincremen mit Sonnenmilch oder hemmen den Schweißgeruch des Sporthemds beim Jogging. Was genau sich hinter den Superstoffen verbirgt, weiß allerdings kaum jemand. Ebenso wenig wissen Kunden über den Nutzen und die Risiken der noch jungen Technologie. Sechs von zehn Befragten einer Studie des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) gaben an, dass ihr Kenntnisstand allenfalls niedrig ist. Es gibt nicht einmal eine allgemeingültige Definition dafür. Klar ist nur, dass die Partikel unglaublich klein sind. Wenn ein Haar 40.000 Mal gespalten wird, hat es etwa den Durchmesser eines Nanoteilchens.
Bislang wurde die Technologie aufgrund der spektakulären Effekte überwiegend positiv aufgenommen. Die Minipartikel werden vor allem bei Textilien, Kosmetika, bei Lacken und Haushaltsmitteln eingesetzt. Damit können zum Beispiel Kleidungsstücke dauerhaft sauber bleiben, weil die Teilchen den Schmutz abstoßen, Scheiben bleiben trocken, weil Wasser darauf abperlt. Die Phantasie kennt kaum Grenzen. Denkbar sind beispielsweise „mitdenkende“ Verpackungen, die sich nach Ablauf der Haltbarkeit eines Lebensmittels verfärben.
Doch in die anfängliche Euphorie mischen sich Molltöne. „Die Akzeptanzampel ist von grün auf gelb gesprungen“, stellt vzbv-Chef Gerd Billen mit Blick auf die Umfrage fest. Denn die Nanotechnologie birgt womöglich Risiken, die bislang kaum erforscht sind. Eines der Horrorszenarien befürchtet das Eindringen der Partikel durch die Poren der Haut in den Körper. Klein genug dazu sind sie. Die Sicherheit der in Sonnenschutzcremes verwendeten Titaniumdioxid und Zinkoxid-Pigmente sei durch aktuelle Studien bestätigt, versichert Birgit Huber vom Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel. Die Wirkung bei erkrankten oder geschädigten Hautstellen sei jedoch empfohlen, räumte Huber auf einem Fachkongress ein. Die Verwendung beider Stoffe ist auf den Verpackungen immerhin ersichtlich. Das ist in anderen Sparten nicht üblich.
Niemand will den Einsatz der Partikel verteufeln. „Es sind noch keine offiziellen Schäden durch Nanopartikel bekannt“, sagt Rolf Buschmann, von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Kritisch sieht der vzbv den Einsatz der Technologie bei Lebensmitteln und teilweise auch bei Verpackungen. Auch bei Haushalts- und Reinigungsmitteln gibt es noch Fragen. Hier wird oft Silber verwendet. Die Folgewirkung auf die Umwelt und den menschlichen Stoffwechsel seien noch nicht untersucht, warnt der Verband.
Unbekannt ist auch, wo Nanotechnologie drin steckt. In Deutschland sind rund 150 Produkte mit dem Namenszusatz Nano registriert. In den USA gibt es immerhin schon ein Projekt des Woodrow Wilson Centers. Auf der Webseite www.wilsoncenter.org werden die rund 650 derzeit bekannten Produkte aufgelistet, auch aus Deutschland. Wöchentlich kommen drei bis vier Angebote dazu. Verbraucherschützer fordern ein ähnliches Angebot für deutsche Verbraucher. Dazu verlangt der vzbv eine Kennzeichnungspflicht, und genaue Definition der Nanopartikel und eine umfangreiche Risikoforschung.
Die Bundesregierung feiert die Nanotechnologie schon als bedeutsame Querschnittsinnovation für die deutsche Wirtschaft, weil sie so viele fabelhafte Eigenschaften erzeugen kann und sich dadurch gewaltige Absatzmärkte ergeben. Im Herbst will das Forschungsministerium einen ersten großen Bericht über die Zukunftsbranche abliefern.