Kleines Geld siegt gegen große Politik

Berliner bringen per Volksentscheid Licht in dunkle Wassergeschäfte / Bundesweit haben die Bürger von der Privatisierung der Daseinsvorsorge die Nase voll

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

14. Feb. 2011 –

Ganze 12.000 Euro hat der Berliner Wassertisch eingesammelt und damit die Kampagne für einen erfolgreichen Volksentscheid geführt. Seit diesem Sonntag kann sich die Bürgerinitiative als Sieger fühlen. Denn fast 670.000 Berliner gingen an die Wahlurne und stimmten fast komplett dem vorgeschlagenen Gesetzestext zu. Nun muss der Senat alle Verträge veröffentlichen, die im Zusammenhang mit dem Teilverkauf der Wasserbetriebe 1999 abgeschlossen wurden. Das ist ein Novum. Bei anderen Fragen wie der Schließung des Tempelhofer Flughafens oder einem Streit um den Religionsunterricht fielen die Anträge durch.


Der rotrote Senat hielt die Abstimmung für überflüssig. Schon im letzten Herbst wurden die umfangreichen Vertragstexte ins Internet gestellt. Doch der Wassertisch hat Zweifel, dass auch wirklich alle Abreden bekannt gemacht wurden. Wenigstens fünf Zusatzvereinbarungen gebe es noch, glauben die Aktivisten. „Wir wissen nicht, was noch alles geheim gehalten wird“, sagt ihr Sprecher Thomas Rudek.


Die mächtigen Gegner auf der anderen Seite konnten in den letzten Jahren ganz andere Summen einsetzen. Auf 1,3 Milliarden Euro summiert sich der Gewinn der beiden Konzerne Veolia und RWE aus dem Geschäft mit dem Wasser in der Hauptstadt. Um diese satten Erträge geht auch der Streit. Denn Berlin als Mehrheitseigentümer der Pumpen und Klärwerke musst sich mit gerade einmal halb so viel Gewinn begnügen. Die Konzerne bekamen beim Kauf der Anteile eine hohe Rendite garantiert. Das geht aus dem schon veröffentlichten Verträgen hervor. Da die Erlöse dafür nicht langten, erhöhte das Unternehmen regelmäßig die Preise für Trink- und Abwasser. Mit über zwei Euro für das Trinkwasser nimmt Berlin eine Spitzenposition ein. Um 35 Prozent stieg der Preis seit der Privatisierung. Jetzt haben die Bürger die Nase voll.


Wirtschaftssenator Harald Wolf von der Linken hat längst den Rückkauf der Wasserbetriebe ins Auge gefasst. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) würde die Konzern gerne los werden. Mit RWE verhandelt die Stadt bereits, Veolia sträubt sich noch. Doch das könnte teuer werden. Mit rund 1,5 Milliarden Euro haben sich die Unternehmen damals eingekauft. Heute müsste das Land wohl den doppelten Betrag hinlegen, um wieder eigenständig Wasser zu fördern und zu entsorgen. Sinkende Wasserpreise, wie sie die Berliner erhoffen, wären so kaum drin.


Der Wassertisch hofft auf eine anderen Weg. „Wir wollen die Wasserbetriebe kostengünstig und bürgernah rekommunalisieren“, erläutert Rudek. Die Initiative will die Verträge auf Verstöße gegen europäisches Recht hin überprüfen. Wurden etwa Beihilferegeln oder Ausschreibungsvorschriften umgangen, sollen die Übereinkünfte angefochten und am Ende rückabgewickelt werden. Dann bekäme die Hauptstadt ihren Wasserversorger wohl nahezu kostenlos zurück.


Auch viele andere deutsche Kommunen bereuen ihre Privatisierungen. Vor allem die Energieversorgung wollen immer mehr Städte und Gemeinden wieder in die eigene Hand nehmen. „Gewisse Kernbereiche werden von den Bürgern gerne in öffentlichen Hand gesehen“, beobachtet Jens Libbe vom Deutschen Institut für Urbanistik (difu). Oft seien die Privatisierungsverträge wie in Berlin geheim. Deshalb misst der Experte dem Volksentscheid auch eine bundesweite Ausstrahlung bei. „Das ist ein Signal für das ganze Land“, sagt Libbe. Allzu große Hoffnungen auf sinkende Preise sollten sich die Bürger dennoch nicht machen, wie das Beispiel Potsdam zeigt. Die Landeshauptstadt erwarb die Anteile am örtlichen Wasserversorger zurück. Trotzdem bezahlen die Bewohner noch höhere Gebühren als die Berliner. Kritiker vermuten, dass die Stadt viel Geld für die neue Eigenständigkeit bezahlen musste. Genau wissen es nur die Beteiligten. Auch hier behalten Stadt und Unternehmen die Details lieber für sich.





« Zurück | Nachrichten »