Kleines Gesetz, große Wirkung

Die Regulierung bewegt die Börsen

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Von Wolfgang Mulke

19. Mai. 2010 –

Im Zentrum der Diskussion stehen so genannte Leerverkäufe. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

 

Warum kam es wieder einmal zu Turbulenzen an den Märkten?

 

Die Bundesregierung hat mit dem plötzlichen Verbot von so genannten ungedeckten Leerverkäufen für Ärger bei Investoren und Spekulanten gesorgt, die deshalb Aktien oder Euros verkauften und die Kurse damit nach unten trieben.

 

Was sind ungedeckte Leerverkäufe?

 

Das lässt sich an einem Beispiel verdeutlichen. Ein Spekulant rechnet bei einer Aktie mit sinkenden Kursen. Nun sucht er jemanden, der an steigende Notierungen glaubt und verkauft ihm zum aktuellen Preis von 100 Euro 10 Anteile. Beide Seiten vereinbaren, dass die Aktien drei Tage später geliefert werden müssen. Wenn der Verkäufer die Wertpapiere noch gar nicht besitzt, sprechen Börsianer von einem ungedeckten Leerverkauf. Die Rechnung für den Spekulanten geht auf, wenn der Kurs tatsächlich fällt, zum Beispiel auf 90 Euro. Dann kauft er die 10 Aktien nach drei Tagen billiger ein als er sie selbst verkauft hat und macht pro Schein zehn Euro Gewinn. Steigt der Kurs hingegen, entsteht ihm ein Verlust, weil er die Aktie für die Lieferung zu einem höheren Preis erwerben muss als er selbst bezahlt hat.

 

Warum werden diese Geschäfte verboten?

 

Wenn viele ungedeckte Leerverkäufe getätigt werden, drohen kaum beherrschbare Kursausschläge. Das war zum Beispiel im letzten Jahr bei VW der Fall. Da hatten viele Anleger auf einen sinkenden Kurs gewettet. Als sich die Erwartung nicht erfüllte, mussten sie plötzlich VW-Aktien kaufen, um ihren Lieferverpflichtungen nachzukommen. Der Kurs schoss plötzlich um mehrere Hundert Euro nach oben, weil gar nicht so viele Anteile am freien Markt gehandelt, wie zuvor leer verkauft wurden. Die Spekulanten werden von der Politik aber auch für die Probleme mit Staatsanleihen südeuropäischer Länder und den Wertverfall des Euro in Verbindung gebracht. Beweisen lässt sich diese These aber nicht, weil es keine genauen Zahlen zum Umfang dieser Geschäfte gibt.

 

Gibt es auch gedeckte Leerverkäufe?

 

Das ist der Normalfall und bleibt für die betroffenen Unternehmen oder Staaten folgenlos. Bei diesem Geschäft leiht sich ein Spekulant Aktien, zum Beispiel von einem Großanleger. Der bekommt dafür eine Gebühr. Dann werden die Wertpapiere verkauft. Nach einer vereinbarten Zeit kauft der Spekulant die Aktien an der Börse wieder zurück. Ist der Kurs zwischenzeitlich gesunken, macht er einen Gewinn. Andernfalls beendet der die Transaktion mit einem Verlust. Am Ende gibt er die Aktien dem ursprünglichen Besitzer wieder zurück.

 

Warum gibt es überhaupt so windige Geschäfte?

 

Leerverkäufe können ein sinnvolles Instrument sein. So sichern sich große Investoren zum Beispiel gegen Wertverluste ab. Andere Anleger wollen den bestehenden Markttrend ausnutzen und von fallenden Kursen profitieren. Es gibt aber auch andere Instrumente, mit denen das möglich ist.

 

Wer steht hinter den ungedeckten Leerverkäufen?

 

Privatanleger mischen bei diesem Spiel nicht mit. Experten sehen in den Investmentbanken und Hedgefonds die wichtigsten Akteure auf diesem Markt. Die Deutsche Bank versichert zum Beispiel, dass sie keine ungedeckten Leerverkäufe tätigt.

 

Ist das Verbot gerechtfertigt?

 

Darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Der Devisenexperte Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank hält die rote Karte für angemessen. Ungedeckte Leerverkäufe würden Manipulationen Tür und Tor öffnen. Das Verbot könne „die überbordende Spielfreude der aggressiven Marktteilnehmer eindämmen“, hofft Hellmeyer. Dagegen hagelt es weltweit Kritik am deutschen Alleingang, vor allem aus dem Finanzsektor. Dort glaubt man, dass das Verbot umgangen und nicht zu neuerlichem Vertrauen in die Politik beitragen wird. Wichtigster Kritikpunkt ist, dass die europäischen Staaten mit ihren hektischen Aktionen nur den wahren Grund der Eurokrise verschleiern wollen, die zu hohe Staatsverschuldung.

 

Helfen die jetzt getroffenen Entscheidungen dem Euro und den hoch verschuldeten EU-Ländern?

 

Das muss sich erst zeigen. Die kurzfristigen Reaktionen sagen darüber noch nichts aus. Außerdem wird ja in Europa ein ganzes Paket an Regulierungen erarbeitet. Der Eurokurs sank zum Beispiel nach der Bekanntgabe des Verbots erst, dann stieg er gleich wieder. Die hoch verschuldeten Länder plagt ein anderes Problem viel mehr. Dort sorgen Kreditausfallversicherungen für Probleme. Dieses spekulative Instrument hat die Zinsbelastung der Anleihen aus den Problemstaaten in die Höhe getrieben und Griechenland so an der Rand der Pleite.

 

 

 

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