Klima-Abgabe für Kohlekraftwerke wackelt

Wirtschaftsminister Gabriel hält Kritik für „nachvollziehbar“. Koalition soll kommende Woche entscheiden. Alternativkonzept erhöht die Kosten zulasten der Stromkunden.

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Von Hannes Koch

24. Jun. 2015 –

Über die Zukunft alter Kohlekraftwerke will die große Koalition bei einem Spitzengespräch im Bundeskanzleramt befinden. „Wir entscheiden am 1. Juli“, sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Mittwoch. Zur Debatte steht, wer die notwendige Stilllegung klimaschädlicher Braunkohleanlagen bezahlt – die Betreiber oder die Stromkunden. In einer neuen Studie sprach sich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) dafür aus, die Kosten den Unternehmen aufzubürden.

 

Bislang sei die Entscheidung nicht gefallen, sagte eine Sprecherin Gabriels: „Es gibt keine finale Einigung, die Gespräche laufen noch.“ Die ARD hatte zuvor berichtet, die Klima-Abgabe für alte Kohleanlagen sei vom Tisch.

 

Dieses Modell hatte Gabriels Staatssekretär Rainer Baake (Grüne) im vergangenen März vorgelegt. Für mehr als 20 Jahre alte Kohlekraftwerke sollen die Betreiber zusätzliche Verschmutzungszertifikate im Rahmen des Emissionshandels kaufen. Als Größenordnung brachte Baake eine Klima-Abgabe bis zu 20 Euro pro Tonne klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) ins Gespräch. Der beabsichtigte Effekt: Die Stromproduktion besonders in betagten Braunkohlekraftwerken wird teurer, die Unternehmen können diese Elektrizität kaum noch verkaufen, die Anlagen laufen seltener und werden abgebaut. So ließe sich eine zusätzliche CO2-Einsparung im Stromsektor erreichen, damit Deutschland seine Zusagen beim Klimaschutz einhält.

 

Kritik an diesem Modell übten unter anderem der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), der CDU-Wirtschaftsflügel und Regierungen von Kohleländern, beispielsweise Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Sie argumentierten, die Verteuerung des Kohlestroms werde zum „Strukturbruch“ in der Energieproduktion und großem Verlust von Arbeitsplätzen führen. Gabriel nannte diese Kritik „nachvollziehbar“.

 

Von NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) und IG BCE-Chef Michael Vassiliadis ließ Gabriel deshalb ein zweites Konzept ausarbeiten. Dieses sieht vor, dass die Energieunternehmen selbst Kohlekraftwerke vom Markt nehmen, für Notfälle in Reserve halten und dafür eine Entschädigung bekommen, die letztlich die Stromkunden bezahlen. Weil die CO2-Minderung dieser Maßnahme nicht ausreicht, sollen relativ klimafreundliche Kraftwerke, die gleichzeitig Strom und Wärme produzieren, mit bis zu 1,5 Milliarden Euro jährlich gefördert werden. Diesen Aufschlag auf den Strompreis entrichten ebenfalls die privaten Stromverbraucher.

 

„Als sehr teure Abwrackprämie für alte Kraftwerke“ bezeichnete dieses Modell Claudia Kemfert, die Energieexpertin des DIW. In einer Studie im Auftrag der grün-nahen Böll-Stiftung und der European Climate Foundation hat sie beide Varianten verglichen. Das IG BCE-Konzept kommt dabei schlecht weg. Sein Beitrag zur Verringerung der Emissionen sei zu gering, so Kemfert. Deshalb müsse die kostspielige Förderung für die Kraft-Wärme-Kopplung hinzutreten. Die Überkapazitäten in der Stromerzeugung blieben erhalten. Und bezahlen würden dies wieder einmal die Elektrizitätskunden, bemängelte die DIW-Ökonomin.

 

Dem Plan für die Klima-Abgabe gab sie hingegen eine gute Note. Die Kritiker würden die negativen Folgen für die Arbeitsplätze überzeichnen, so Kemfert. Jobs fielen kaum weg, weil die Kohlekraftwerke weniger Stunden laufen, aber vermutlich nicht komplett abgeschaltet würden. Trotz der Abgabe würden die alten Anlagen weiter Gewinn erwirtschaften. Deshalb sei auch nicht mit einem „Strukturbruch“ in der Energieerzeugung zu rechnen, so Kemfert.

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