Koalition lässt Lobbyisten gewähren

Lobbycontrol stellt der schwarzgelben Regierung ein miserables Zeugnis aus / Keine Transparenz bei Interessenvertretern

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

25. Jun. 2013 –

Lobbyisten höhlen die Demokratie immer weiter aus. Zu diesem Ergebnis kommt die Organisation Lobbycontrol in ihrer Bilanz der letzten vier Jahre. Danach gab es lediglich bei der Veröffentlichung von Nebeneinkünften der Abgeordneten leichte Fortschritte. Ansonsten dürfen Palamentarier gleichzeitig eine Lobby vertreten, werden Parteispenden verschleiert, ein Gesetz gegen korrupte Abgeordnete verzögert und die Seiten zwischen Politik und Wirtschaft folgenlos gewechselt. „Unter Schwarzgelb ist die Bilanz vernichtend, stellt der Geschäftsführer der Organisation, Ulrich Müller, fest.


Die Kritiker bemängeln, dass immer weniger klar wird, wie Entscheidungen zustande kommen. Denn im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen vor allem Verbände Einfluss auf Politiker nehmen wollten, gibt es heute zahlreiche verdeckte Kampagnen. Unternehmen schicken eigene Leute nach Berlin, um ihre Interessen einzubringen oder beauftragen Agenturen mit Kampagnen. Lobbycontrol nennt als Beispiel die Deutsche Bahn, die 2007 verdeckt die Denkfabrik Berlinpolis beauftragt haben soll, sich für den Börsengang des Staatsunternehmens stark zu machen. Auf einer Konferenz der Lobbyspezialisten trat der damalige Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee auf, ohne den Hintergrund zu kennen. „Lobbyisten sind sehr viel vielfältiger geworden“, erläutert Müller. Die Kritiker fordern ein Lobbyistenregister, in die sich alle Interessenvertreter eintragen lassen müssen. Wer es nicht tut, soll Strafen erhalten.


Fünf Themen hat der Lobbyreport der Organisation unter die Lupe genommen. Dazu gehört der Seitenwechsel. Ein prominenter Fall ist des Staatsministers im Kanzleramt, Eckart von Klaeden, zum Autokonzern Daimler. Mitunter sind Politiker bei ihren späteren Arbeitgebern genau für die Themen zuständig, die sie zuvor als Regierungsmitglieder mit verantwortet haben. Von Klaeden sei ein Musterbeispiel, erläutert die Ko-Autorin des Reports, Christina Deckwirth. Die Regierung sitze die Kritik daran einfach aus. Es ändere sich nichts. Lobbycontrol fordert eine dreijährige Karenzzeit für Politiker. Erst nach dieser Spanne sollen sie in Unternehmen wechseln dürfen.


Ein weiterer Schwerpunkt ist die Parteienfinanzierung. „Die Parteien nehmen keineswegs weniger ein“, berichtet Deckwirth. Nur würden die Spenden mittlerweile eher gestückelt, damit die Herkunft nicht in den Rechenschaftsberichten der Parteien auftauchen. Ab einer Summe von 50.000 Euro muss der Spender direkt veröffentlicht werden, ab 10.000 Euro taucht der Name des Gebers im Rechenschaftsbericht auf. Auch das in die Kritik geratene Sponsoring von Parteiveranstaltungen bleibt eine Nebelwand. Die Parteien müssen diese Einnahmen nicht gesondert ausweisen. Auch in diesem Feld erhält die Bundesregierung schlechte Noten, weil sie nicht für mehr Transparenz gesorgt hat.


Eine weitere Grauzone sieht Lobbycontrol bei den Abgeordneten selbst. Denn im Bundestag sitzen auch Lobbyisten. Für ein kritisches Beispiel hält die Organisation den Gesundheitsexperten dr Unionsfraktion, Jens Spahn. Spahn habe Anteile an einer Firma gehalten, die wiederum an einer Lobbyagentur beteiligt war, die sich wiederum im Gesundheitssektor umtat. Da Parlamentarier solche Beteiligungen erst ab einem Anteil von 25,01 Prozent veröffentlichen müssen, blieb dies unbekannt. Spahn hielt nur 25 Prozent an der Firma. Lobbycontrol fordert, dass Abgeordnete keine Interessen dritter vertreten dürfen. Auch hohe Gewerkschaftsfunktionäre schließt die Organisation bei dieser Forderung ein.


Schließlich bemängelt der Report, dass es in Deutschland trotz internationalen Drucks noch immer kein Gesetz gegen Abgeordnetenkorruption gibt. Die Koalition wies entsprechende Vorschläge der Opposition zurück. Nur bei den Nebeneinkünften kam die Regierung ein Stück voran. Nach der nächsten Bundestagswahl müssen diese Einnahmen etwas detaillierter erklärt werden als bisher. Auf Euro und Cent müssen die Abgeordneten die Vergütung von Zweitjobs aber immer noch nicht.

« Zurück | Nachrichten »