Kommt die Versicherungspflicht gegen Naturkatastrophen?

Das DIW hat ein bezahlbares Modell entwickelt

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Von Wolfgang Mulke

14. Jun. 2013 –

Alle Besitzer von Wohngebäuden sollen eine Versicherung gegen so genannte Elementarschäden abschließen. Dazu gehören neben Überflutungen und Starkregen auch Lawinen, Erdrutsche, Hagelschlag, Erdbeben, Sturmfluten oder Feuer. Diesen Vorschlag macht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Die flächendeckenden Risiken nehmen zu“, erläutert der Schadensexperte des Instituts, Reimund Schwarze. Deutschland müsse sich auf wiederkehrende Ereignisse wie Überflutungen einstellen und damit leben. Zur finanziellen Regulierung der Folgen und zur Förderung von vorbeugenden Maßnahmen soll eine Schutzpolice vorgeschrieben werden.


Bislang bleiben die meisten Hausbesitzer auf Schäden durch Naturkatastrophen sitzen. Die jüngste Flut ist ein gutes Beispiel dafür. Nur 30 Prozent der Häuser sind gegen Hochwasserschäden versichert. Rund eine Million Bürger können laut DIW gar keinen Vertrag darüber abschließen, da Versicherungen dies aufgrund der Risikoeinschätzung verweigern. Deshalb bleiben gerade Gebäude in Flussnähe unversichert. Dazu kommt, dass die Prämien umso höher werden, je größer das Risiko einer Überschwemmung des Grundes wird.


Der Effekt ist bekannt. Am Ende springt der Staat ein und hilft den Betroffen mit Steuergeldern. Ein Anreiz zur Vermeidung von Schäden wird laut Schwarze damit nicht gesetzt. Besonders ungerecht findet er, dass die Hilfen in Wahljahren deutliche höher ausfallen als in anderen Zeiten. Dies sei statistisch nachweisbar.


Ein Modell hat das DIW dafür auch schon entwickelt. Berechnungen für ein typisches Eigenheim mit einem Wert von 300.000 Euro ergaben für die Absicherung eine jährliche Belastung von 153 Euro in günstigen Lagen und 525 Euro in Risikogebieten. So wird ein Anreiz zur Vorbeugung gegen Zerstörungen gesetzt. Dabei spielt der so genannte Selbstbehalt eine wesentlich Rolle. Das ist der Eigenanteil, den der Versicherte im Schadenfall selbst übernehmen muss. Dieser steigt mit wachsendem Gefahrenpotenzial an.


Für Schäden durch Fluten, Erdrutsche oder Lawinen müssten am Ende auch die Mieter in gut geschützten Großstädten aufkommen. Denn die Hausbesitzer würden die Versicherungsprämien sicher auf die Mieten umlegen. DIW-Vorstandsmitglied Gert Wagner verteidigt diese Vergemeinschaftung des Risikos trotzdem. „Bei Starkregen würden auch in Berlin Milliardenschäden entstehen“, sagt Wagner. Deshalb wäre eine Beteiligung aller an der Versicherungspflicht sinnvoll. Außerdem bezahlen die Mieter über ihre Steuerzahlungen ja auch die Nothilfen mit, die der Staat springen lässt.


Den Vorschlag hat das DIW schon nach der letzten großen Flut 2002 vorgelegt und mit der Versicherungswirtschaft abgesprochen. Politisch war er jedoch nicht durchsetzbar. Denn aus Sicht der Politik hat das Modell einen Haken. Die Versicherungen sollen nur Schäden bis zu einer Gesamthöhe von acht Milliarden Euro tragen. Darüber hinaus gehende Kosten müssten Bund und Länder übernehmen.


Diesmal erscheinen die Voraussetzungen für eine entsprechende Mehrheit günstiger. Kanzlerin Angela Merkel denkt in diese Richtung und die Justizminister der Länder wollen ein Konzept dafür entwickeln. Noch lehnt die Versicherungswirtschaft die Idee ab. Käme eine Staatsgarantie für hohe Schadenssummen zustande, würde der Widerstand sicher aufgegeben.



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