Komplizierter Sozialausgleich
Bei den Steuerzuschüssen für Zusatzbeiträge sind viele Fragen offen
13. Jul. 2010 –
Gerecht, stabil und sozial soll die neue Finanzierungsbasis der Krankenversicherung sein. So verspricht es Gesundheitsminister Philipp Rösler. Die Eckpunkte des Gesetzes lesen sich auch flüssig. Künftige Kostensteigerungen werden über Zusatzbeiträge den Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgebrummt. Steigt der Zusatzbeitrag im Einzelfall auf mehr als zwei Prozent des Einkommens, übernimmt der Steuerzahler die Bezahlung des über den Grenzwert hinausgehenden Betrag.
Die Beamten im Gesundheitsministerium brüten derzeit über dem detaillierten Gesetzestext. Dabei müssen harte Nüsse geknackt werden. So ist zum Beispiel noch weitgehend unklar, wie mit den Langzeitarbeitslosen verfahren wird. Für Hartz-IV-Empfänger bezahlen die Jobcenter einen festen Beitrag in Höhe von 126 Euro an den Gesundheitsfonds. Zusatzbeiträge müssen die Betroffenen aus eigener Tasche bezahlen oder zu einer Kasse ohne Extrabeitrag wechseln. Nur in begründeten Ausnahmefällen übernehmen die Jobcenter die Zusatzbeiträge. Noch ist das kein großes Problem, weil nur wenige Krankenkassen einen Aufschlag erheben. Doch die Reform ist so angelegt, dass es spätestens 2012 flächendeckende Zusatzbeiträge geben wird und der Wechsel zu einer zuschlagsfreien Kasse unmöglich wird. Die Regierung rechnet 2012 mit durchschnittlich acht Euro, 2014 schon mit 16 Euro pro Monat.
Der Sozialausgleich soll eine übermäßige Belastung der finanziell Schwachen verhindern. Wie schwierig eine gerechte Lösung wird, zeigen einige Modellfälle. Ein arbeitsloses Ehepaar mit zwei Kindern und etwa 1.500 Euro Regelleistung und Wohnkosten müsste zwei Prozent des Einkommens, also 30 Euro, als Zusatzbeitrag zur Familienversicherung selbst tragen. Sind die Partner nicht verheiratet, bestehen zwei Versicherungen und die Leistungen würden theoretisch jeweils zur Hälfte mit 750 Euro angerechnet. Beide müssten bei der zweiprozentigen Obergrenze je bis zu 15 Euro aus eigener Tasche bezahlen. Für 2014 bedeutet dies, dass das Ehepaar den gesamten Zusatzbeitrag von 16 Euro alleine tragen muss, die Partner ohne Trauschein zusammen aber 30 Euro. Die Experten zerbrechen sich nun über Wege zur Gleichbehandlung den Kopf.
Theoretisch könnten sogar reiche Haushalte in den Genuss des Sozialausgleiches kommen. Verdient bei einem unverheirateten Paar ein Partner extrem viel, der andere in einem sozialversicherungspflichtigen Job aber zum Beispiel nur 600 Euro, wäre die Belastungsobergrenze für den Geringverdiener bei zwölf Euro im Monat. 2014 bekäme der Haushalt monatlich noch vier Euro vom Staat dazu. Zahlenmäßig dürfte diese Konstellation nicht ins Gewicht fallen. Sie zeigt jedoch, dass die Reform im Detail noch schwierig wird.
Eine weitere Hürde stellt die Berechnung des Sozialausgleichs und dessen Auszahlung dar. Bei den Arbeitnehmern scheint die Aufgabe gut lösbar. Der Arbeitgeber prüft, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, zieht einen Sozialausgleich von den Versicherungsbeiträgen ab und überweist dem Beschäftigten den einbehalten Betrag mit dem Lohn. Bei Hartz-IV-Empfängern würden die Jobcenter den Ausgleich wohl mit dem Regelsatz auszahlen. Das bereitet den Krankenkassen Unbehagen. Drei oder vier Euro mehr würden schnell ausgegeben, statt wie geplant an die Krankenkasse überwiesen, heißt es bei einer großen Kasse. In diesem Falle müssten die Versicherungsträger die Zusatzbeiträge aufwändig bei Mitgliedern eintreiben, bei denen in der Regel nichts mehr zu holen ist.
Auch bei den Rentnern deuten sich Probleme an. Eine Stelle muss das gesamte beitragspflichtige Einkommen der Rentner überblicken. Sonst kann nicht festgestellt werden, ob ein Rentner Anrecht auf den Sozialausgleich hat. Das soll die Deutsch Rentenversicherung (DRV) übernehmen. Jene aber sträubt sich. „Wir sind für diese Aufgabe denkbar ungeeignet“, warnte DRV-Chef Herbert Rische kürzlich. Das Gesundheitsministerium will nun alle Klippen unbürokratisch umfahren. So lautet zumindest die Zusage.