Konkurrierende Strategien

Der Koalitionsausschuss hat Schritte vorwärts bei Heizungen, Straßenbau und Klimaschutz geschafft, aber auch Punkte verabredet, die sich eigentlich ausschließen.

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Von Hannes Koch

30. Mär. 2023 –

Zu Heizungen, Straßenbau und Klimaschutz haben die Ampel-Parteien Kompromisse im Koalitionsausschuss gefunden. Diese werden wichtig für das alltägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger. An manchen Punkten widersprechen sich die Sichtweisen von SPD, Grünen und FDP allerdings.

Heizungen

Bestehende Öl- oder Gasheizungen bleiben erlaubt, man kann sie auch reparieren lassen. Gehen sie aber ab 2024 so kaputt, dass sie ausgetauscht werden müssen, sollen sie durch ökologische Varianten ersetzt werden. Diese müssen dann zu 65 Prozent mit erneuerbarer Energie arbeiten. Das kann beispielsweise eine Wärmepumpe sein, die mit Ökostrom läuft, oder eine Kombination aus Wärmepumpe und modernem Gasbrenner. Auch mit Biogas oder Wasserstoff befeuerte Anlagen sollen möglich sein, ebenso Fernwärme. Es wird wohl mehrjährige Übergangsfristen geben.

Die Einschätzungen über die Rolle des Wasserstoffs als Heizenergie gehen dabei auseinander. Patrick Graichen, Staatssekretär im grün-geführten Bundeswirtschaftsministerium, sagt: Eine „Wasserstoffheizung wird sicherlich nur in Einzelfällen die Lösung sein, weil Wasserstoff knapp und fürs Heizen sehr teuer sein wird.“ Die FDP setzt größere Hoffnungen in Wasserstoff, nicht nur in „grünen“, der mit Ökostrom hergestellt wurde, sondern auch in „blauen“ aus fossilen Energien.

Weil die neuen Öko-Heizungen oft noch teurer sind als die konventionellen, will die Regierung Immobilienbesitzer, Mieterinnen und Mieter unterstützen. „Menschen mit niedrigen oder mittleren Einkommen sollen für eine durchschnittliche Wärmepumpe unterm Strich nicht mehr zahlen als für eine herkömmliche Gasheizung“, heißt es bei den Grünen. Ein milliardenteures Förderprogramm wird wohl kommen, ist aber noch nicht ausbuchstabiert.

Staatssekretär Graichen gibt Immobilienbesitzern diesen Rat: „Die Preise für Erdgas und Heizöl werden ab 2027 durch den EU-Emissionshandel kontinuierlich steigen.“ Langfristig würden Wärmepumpen deshalb billiger arbeiten als fossile Heizungen. Deshalb sollte man sich „jetzt nicht noch hektisch Gas- und Ölheizungen einbauen“. Vor der Sommerpause wollen SPD, Grüne und FDP das Gesetz beschließen.

Autobahnbau

Zahlreiche Autobahn-Teilstücke sollen schneller als bisher beispielsweise mit zusätzlichen Spuren ausgebaut und Lücken geschlossen werden. Ein Papier der FDP nennt dafür 144 Vorhaben mit etwa 1.200 Kilometer Länge in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die Grünen betonen, es handele sich „um weniger als zehn Prozent des Autobahnnetzes“. Um den kompletten Neubau von Autobahnen geht es nicht, beispielsweise die A100 in Berlin und die A20 in Schleswig-Holstein stehen nicht auf der FDP-Liste. Wobei auch diese Projekte von einer schnelleren Planung profitieren könnten.

Eine Neuerung hat der Koalitionsausschuss bei der Verteilung der Verkehrsinvestitionen beschlossen. Der Lkw-Verkehr auf Autobahnen soll teurer werden, indem die Maut deutlich steigt. Dadurch werden große Summen zur Verfügung stehen, um bis 2027 rund 45 Milliarden Euro für die Deutsche Bahn mitzufinanzieren. Das dürfte den Ausbau des Schienennetzes für den Transport von Personen und Gütern ermöglichen.

Die FDP betont die Einigkeit bei den sogenannten E-Fuels. Das sind Auto-Treibstoffe, die mit Ökostrom aus Wasserstoff und Kohlendioxid gewonnen werden, eventuell klimaneutral. Wenn das klappt, könnten in einigen Jahrzehnten Millionen traditioneller Benzin- und Diesel-Pkw zumindest teilweise mit umweltfreundlichem Kraftstoff fahren. Dazu wollen SPD, Grüne und FDP die E-Fuels rechtlich und finanziell fördern. Die Grünen tragen das mit, obwohl sie diese Strategie für aussichtslos halten, weil die synthetischen Kraftstoffe ihrer Ansicht nach ineffizient und zu teuer bleiben. Sie verweisen auf den abermaligen Beschluss, dass bis 2030 rund 15 Millionen elektrische Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein sollen. Im Prinzip widersprechen sich die zwei Strategien, weil die Menge des hergestellten Ökostroms wohl nicht für beide reicht.

Klimaschutzgesetz

Hier haben die drei Parteien vereinbart, dass künftig nicht mehr jeder Wirtschaftssektor – unter anderem Verkehr, Gebäude und Industrie – separate Einsparungen beim Ausstoß klimaschädlicher Gase einhalten muss. Man will sich eher an der gemeinsamen Zielerreichung orientieren. Das entlastet den Verkehrsbereich, wo die Kohlendioxid-Emissionen bisher nicht sinken, und auch den dafür verantwortlichen Minister, Volker Wissing (FDP). Ein Tempolimit auf Autobahnen wird damit unwahrscheinlicher. Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützte Wissing: „Er ist genau richtig unterwegs.“

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