Kräftige Rentensteigerungen erwartet

Vorsicht ist angebracht

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Von Wolfgang Mulke

26. Nov. 2012 –


Steigen die Renten in den nächsten Jahren stark an?


Nach den jetzt durchgesickerten Prognosen der Bundesregierung können sich die rund 20 Millionen Rentner in Deutschland in den kommenden Jahren über kräftige Steigerungen ihrer Bezüge freuen. Im kommenden Jahr werden ab dem ersten Juli danach im Westen ein Prozent, im Osten 3,49 Prozent mehr an die Rentner überwiesen. In den folgenden Jahren erwarten die Experten aus Bund und Rentenversicherung durchschnittlich Zuwächse um zwei Prozent. Das geht aus dem bisher unveröffentlichten Rentenversicherungsbericht hervor, den die Bundesregierung an diesem Mittwoch beschließen will. „Wir können die Größenordnung bestätigen“, sagt der Sprecher der Deutschen Rentenversicherung (DRV), Dirk von der Heide. Konkrete Zahlen könnten aber erst im Frühjahr genannt werden, wenn die Daten zur Lohnentwicklung in Deutschland vorliegen.


Was bedeuten die Prozente in Euro und Cent?


Die Prognose ist trügerisch. Sie sagt bis Ende 2016 Rentensteigerungen von zusammengenommen 11,55 Prozent im Osten und 8,5 Prozent im Westen voraus. Aus 1.000 Euro Monatsrente heute würden dann also 1.115 Euro in den neuen und 1.085 Euro in den alten Ländern. Die Nettorenten, also die Kaufkraft der Ruheständler, steigt bei weitem nicht so stark an, wenn überhaupt. Denn zunächst zeigt die Krankenversicherung ein wenig von jedem Zuwachs ab. Vor allem aber steigen auch die Verbraucherpreise von Jahr zu Jahr an. Wenn die Inflationsrate ebenfalls jährlich zwei Prozent beträgt, bleibt unter dem Strich allenfalls bei den Beziehern im Osten ein wenig mehr Kaufkraft im Portemonnaie übrig.


Wovon hängt die Entwicklung der Renten alles ab?


Die Formel, nach der die jährliche Rentenanpassung berechnet wird, ist höchst komplex. Deshalb sind Prognosen auch mit großer Vorsicht zu genießen. Am wichtigsten ist die Entwicklung der Bruttolohnsumme pro Erwerbstätigen. Davon werden allerdings die Einkommen zum Beispiel von Beamten und Selbständigen herausgerechnet, weil diese ja nicht rentenversichert sind. Dann gibt es Faktoren, die den Rentenanstieg bremsen sollen, damit spätere Generationen nicht zu hohe Beiträge leisten müssen. Schließlich spielt auch die Zahl der Versicherten Arbeitnehmer eine Rolle. Je mehr Menschen arbeiten und in die Rentenkasse einzahlen, desto höher fällt die Rentenanpassung aus, auch wenn nur schlecht bezahlte Teilzeitjobs geschaffen werden.


Werden die Ostrentner immer bevorzugt?


Noch immer sind die Renten in den neuen Ländern deutlich niedriger als im alten Bundesgebiet. Sie erreichen erst knapp 89 Prozent des Westniveaus. Bis 2030 sollen die Renten angeglichen werden. Deshalb müssen die Bezüge im Osten über einen längeren Zeitraum stärker angehoben werden als im Westen. Es ist also ein Aufholen und keine Bevorzugung.


Wie wahrscheinlich ist es, dass die Prognosen auch eintreffen?


Je weiter der Blick nach vorne reicht,desto unsicherer ist die tatsächliche Entwicklung. Die Entwicklung der Löhne und des Arbeitsmarkes in diesem Jahr sind schon weitgehend bekannt. Deshalb ist es höchst wahrscheinlich, dass die Renten 2013 kräftig ansteigen. Doch die Vorausschau auf die kommenden Jahre ist mit großen Unsicherheiten verbunden. Die Bundesregierung geht von weiterhin anständigen Wachstumszahlen und von weniger als drei Millionen Arbeitslosen aus. Wenn sich jedoch die konjunkturelle Schwäche anderer Länder auch auf Deutschland überträgt, könnten die Zahlenspiele bald unrealistisch erscheinen.


Ist die Gefahr von Altersarmut durch hohe Aufschläge gebannt?


Davon kann keine Rede sein. Denn für die Renten künftiger Generationen sind die jeweils geleisteten Beiträge maßgeblich. Wenn immer mehr Menschen für wenig Geld arbeiten müssen, erwerben auch immer mehr Menschen nur geringe Rentenansprüche. Deshalb fordern der DGB auch den Aufbau einer Rentenreserve, mit der das Rentenniveau auf 50 Prozent des letzten Lohnes gehalten werden kann. Sonst könnten selbst Durchschnittsverdiener im Alter in die Armut rutschen. Das Problem ist noch keineswegs gelöst.

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