Kraft der künstlichen Sonne

In der größten Anlage für Solarenergietests

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Von Björn Hartmann

11. Nov. 2022 –

Licht erhellt. Richtig gebündelt brennt es auch ein Loch in fünf Zentimeter dicken Baustahl. Mit Taschenlampen ist das nicht zu erreichen, aber Dmitrij Laaber verfügt über die größte künstliche Sonne der Welt. Der Block vor ihm auf dem Konferenztisch soll zeigen, was die Anlage kann. Normalerweise geht es um kompliziertere Experimente und die Frage, ob sich eine Technologie etwa für Wasserstoffproduktion industriell umsetzen lässt.

Laaber leitet Synlight, wie die künstliche Sonne heißt, die hinter der Wand neben dem Konferenztisch schlummert. Sie gehört zum Institut für Future Fuels des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Brennstoffe der Zukunft, der Name zeigt schon, sie sind hier am südwestlichen Rand von Jülich in Nordrhein-Westfalen weit vorn. „Es geht darum Sonnenlicht direkt für chemische Prozesse zu nutzen“, sagt Laaber.

Die Idee dahinter: Warum zum Beispiel über Solarpanels Strom erzeugen, mit denen dann über Elektrolyse Wasserstoff hergestellt wird, wenn sich die Sonnenenergie direkt nutzen lässt, um in einem chemischen Reaktor Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten? Oder Schwefeloxid in Schwefel verwandeln, der als CO2-neutraler Brennstoff dienen kann? Mit der Sonnentechnik ließe sich auch Kerosin mit CO2 aus der Luft herstellen. Wobei hier die Forschung noch am Anfang steht.

Wenn ein Unternehmen sich mit solch einer Technologie beschäftigt, fängt es im Labor an – mit einer kleinen künstlichen Sonne. Davon gibt es einige in der Welt, auch das Institut für Future Fuels hat in Köln eine solche Anlage. Danach müssen die Firmen ihre Ideen direkt in einer sehr großen Anlage testen, zum Beispiel im Solarturm in Jülich in Sichtweite des Synlight-Gebäudes. Dort bündeln Spiegel am Boden echtes Sonnenlicht auf eine Fläche oben im Turm. Die Anlage ist etwa 100 Mal größer als die im Kölner Labor.

Doch was im kleinen Versuch aussichtsreich ist, läuft nicht zwingend im industriellen Maßstab. „Upscaling von sehr klein auf sehr groß ist sehr schwierig“, sagt Laber, vor allem, weil Größe den chemischen Prozess beeinflusst. Es kann also einiges schief gehen. Und es wird teuer, wenn die Versuche in der großen Anlage immer wieder nachjustiert werden müssen.

Die Idee: eine künstliche Sonne, die zehn Mal größer als die typischen Laborsonnen ist, aber nur grob ein Zehntel so groß wie eine Anlage mit echter Sonne. Und die natürlich unter Laborbedingungen nutzbar ist, also auch per Knopfdruck verfügbar. „Die künstliche Sonne schließt eine Lücke auf dem Weg vom Laborexperiment zum Industriemaßstab“, sagt Laaber. Das Bundeswirtschaftsministerium und das Land Nordrhein-Westfalen finanzierten die Idee. Rund 3,5 Millionen Euro flossen nach Jülich. Im März 2017 ging die Sonne dann erstmals auf.

Das Gebäude am Rand von Jülich ist für diese weltweit einmalige Anlage eher schlicht. Weiße Fassade, vorn Büros und Treppenhaus, hinten die Halle für die Sonne: 18 Meter hoch. Darin 149 Reflektoren in 13 Reihen angeordnet, eine Wand silbrig schimmernder Trichter. Jeder einzelne lässt sich nach vorn und hinten verschieben und beliebig drehen, um ihn auf eine der drei Versuchsräume auszurichten, knapp acht Meter entfernt.

„Wir haben auf viele Standardteile zurückgegriffen. Die Elektromotoren zur Steuerung etwa. Und die Lampen in den Reflektoren sind Xenon-Dampfentladelampen, wie sie üblicherweise bei Kinoprojektoren eingesetzt werden“, sagt Laaber. „Das Spektrum dieser Lampen kommt dem Sonnenlicht am nächsten..“ Im Kino bilden sie Farben realistisch ab. Bei Synlight sollen die Bedingungen möglichst nah an echtem Sonnenlicht sein.

Allerdings sind die UV- und Infrarotanteile deutlich höher als bei natürlichem Sonnenlicht, allein die UV-Strahlen sind 100 bis 1000 Mal höher als an einem sonnigen Tag im September. Zwei Drittel der Lampen haben deshalb einen UV-Filter, die anderen kann man nutzen, um unter Weltraumbedingungen zu testen.

5700 Grad herrschen im Innern einer solchen Lampe, wenn der Plasmabogen erst einmal angeworfen ist, außen hat die Lampe 1000 Grad. Das stellt besondere Anforderungen an die Reflektoren, die deshalb keine Standardteile sind. Jeder einzelne Reflektor hat einen Durchmessern von etwas über einem Meter, ist 80 Zentimeter tief, aus vier Millimeter dickem Aluminium. Überhaupt das Material. So muss die Beschichtung der Reflektoren die Lichtstärke aushalten. Der Estrich in den Versuchsräumen hat den Härtetest dagegen nicht überstanden. Er ist an einigen Stellen schlicht nicht mehr da.

Die künstliche Sonne liefert reichlich Energie. Die Zahlen, die Laaber nennt, lassen sich kaum vorstellen. Der Stahlblock ist da einfacher: 80 fokussierte Lampen brennen eine Minute, dann blubbert der Stahl, ist das Loch da. Die thermische Leistung dabei entspricht dem 24-Fachen eines durchschnittlichen Heizkessels. Oder: „Die Kraft einer Lampe reicht aus, um Papier im Fokuspunkt sofort zu entzünden“, sagt Laaber. Wobei die Reflektoren für Experimente meist nicht auf einen Punkt, sondern auf eine Fläche ausgerichtet werden.

Die künstliche Sonne selbst braucht auch einiges an Strom. Schiene sie drei Stunden auf voller Leistung, verbrauchte sie die Energie, die eine vierköpfige Familie im Jahr benötigt – 3500 bis 4000 Kilowattstunden. Für die Experimente strahlt die Sonne eher kürzer. Ein bis zwei Tage dauert es, die Anlage auszurichten. „Die Versuche gehen in der Regel über mehrere Monate“, sagt Laaber. „Die meiste Zeit verschlingen der Aufbau und die Änderungen im Verlauf der Tests. Die reine Bestrahlungszeit ist vergleichsweise kurz.“

Die meisten Kunden von Synlight hätten kein fertiges Industrieprodukt, sagt der Hüter der künstlichen Sonne. „Im besten Fall bringen sie einen Prototypen mit.“ Oft ist es eine Art Modell. Und mancher erlebt im Test dann auch Überraschungen, etwa wenn ein Bauteil im Testreaktor doch nicht so wärmebeständig ist, wie versprochen.

„Die Anlage ist gut ausgelastet“, sagt Laaber. Das Institut forscht selbst. Und Kunden buchen die Sonne, auch aus dem Ausland, unter anderem aus Australien, Frankreich, der Schweiz und den USA. Das zahlt sich für den Standort Deutschland aus. Ein Kunde des Instituts, Synhelion aus der Schweiz, baut jetzt auf der anderen Seite Jülichs eine erste Anlage für industriell hergestellte synthetische Treibstoffe – mit der Kraft der echten Sonne.

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