Krise vorbei, Urlaub gefährdet

Kommentar zur Urlaubskürzung von Hannes Koch

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Von Hannes Koch

20. Aug. 2010 –

Die Japaner haben einen Begriff für den plötzlichen Tod durch Überarbeitung. „Karoshi“ ereilt dort rund 150 Menschen jährlich. Mit solchen Phänomen in einem Atemzug genannt zu werden, würden Mario Ohoven und Ursula Frerichs zu Recht ablehnen. Und doch erinnert der neue Vorschlag der beiden Mittelstandslobbyisten fatal an die Fehlentwicklungen in dem einst erfolgreichen asiatischen Industriestaat. Von ihren durchschnittlich sechs Wochen Jahresurlaub sollten die deutschen Beschäftigten auf bis zu zwei Wochen verzichten, fordern die Wirtschaftsverbände, denen Ohoven und Frerichs vorsitzen.


In jedem Handbuch für Motivationstrainer steht, dass Führungskräfte solche Vorschläge tunlichst unterlassen sollten. Wer den Beschäftigten abverlangt, ein Drittel ihres Jahresurlaubs der Firma zu opfern, kann auch gleich die Gewinnprognose massiv nach unten korrigieren. Denn dies wäre das Ergebnis: Dem Unternehmen würde es schlechter gehen, weil die Arbeitnehmer keinen Spaß mehr an ihrer Arbeit hätten. Kürzungspläne in dieser Größenordnung passen nicht zum zivilisierten Umgang zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.


Nun kann man davon ausgehen, dass die beiden Mittelstandsfunktionäre selbst nicht davon ausgehen, dass ihr Vorschlag Wirklichkeit wird. Was aber bezwecken sie dann? Erstens wollen sie wohl schlicht der Gewerkschaft IG Metall etwas entgegensetzen, die angesichts des erstaunlichen Wirtschaftswachstums für schnelle Lohnerhöhungen plädiert. Zum zweiten senden die Wirtschaftsverbände ein Signal. Ihre Botschaft lautet: Die Krise ist vorbei, Solidarität war gestern, wir wollen zur alten, brutalen Interessenpolitik zurückkehren. Das ist der Ironie des Aufschwungs: Weil sich die Lage entspannt, wird die Auseinandersetzung um die Verteilung des Wohlstandes wieder härter.

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