Krisenhelfer statt Gespenst

Überdurchschnittliche Inflation erwartet

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Von Wolfgang Mulke

10. Mai. 2012 –

Die Zeiten mit geringen Preissteigerungen sind vorerst vorbei. Das räumte die Bundesbank im Bundestag ein und will eine steigende Inflation hinnehmen. Darauf müssen sich die Deutschen nun einstellen:



Setzt sich die Bundesbank jetzt nicht mehr für stabile Preise ein?


Die Bundesbank kann alleine nicht gegen inflationäre Entwicklungen vorgehen und zum Beispiel wie früher die Zinsen erhöhen. Das ist die Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese wiederum berücksichtigt die Entwicklung im gesamten Euroraum und achtet darauf, dass die Teuerungsrate in allen Mitgliedsländer im Rahmen bleibt. Die Zielmarke liegt bei einer Preissteigerung von zwei Prozent im Jahr. Da in den Krisenländern die Inflationsrate gering ist, kann sie in Deutschland höher sein, ohne dass die Stabilität des Euro damit gefährdet werden würde. Insofern kann die Bundesbank hierzulande stärkere Lohn- und Preiserhöhungen akzeptieren, ohne den Wert der Währung aufs Spiel zu setzen.


Wird bald alles viel teurer?


Kurzfristig werden die Lebenshaltungskosten nur wenig steigen. Doch ab dem nächsten Jahr zieht die Inflationsrate vermutlich an. Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Wirtschaft erholt sich und investiert wieder mehr. Die Arbeitnehmer setzen kräftige Lohnsteigerungen durch und können sich nach Jahren von Kaufkraftverlusten in vielen Fällen auch wirklich mehr leisten. Beides wirkt tendenziell preistreibend. Dazu kommen nach und nach die Folgen des Immobilienbooms in manchen Städten, die sich irgendwann in steigenden Mieten ausdrücken werden.


Ist eine galoppierende Inflation vorstellbar?


Ökonomen gehen nicht von einer allzu starken Geldentwertung aus. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht die Teuerungsrate vorerst bei 2,5 Prozent. Ärger könnte es kommen, wenn das viele Geld, dass die EZB den Banken zu Billigkonditionen überlassen hat, nicht wie jetzt im Tresor, sondern über Kredite in den Wirtschaftskreislauf fließt. Im schlimmsten denkbaren Szenario des DIW steigt die Inflationsrate in Europa auf 6,5 Prozent. Doch das ist unwahrscheinlich, weil die Zentralbank den Banken das überschüssige Geld wieder abnehmen würde.


Verlieren Spargelder und Geldanlagen ihren Wert?


Die ersparten Reserven verlieren an Wert, wenn die Verzinsung geringer ist als die Teuerungsrate, also zum Beispiel weniger als 2,5 Prozent beträgt. Das ist zum Beispiel bei Sparbüchern oder auch neuen Bundesanleihen der Fall. Langfristige Geldanlagen wie Lebensversicherungen können Phasen mit höherer Inflation weitgehend ausgleichen. Aktien sind im Prinzip Sachwerte, deren Kurs sich bei steigenden Preisen auch erhöht. Grund zur Panik gibt es nach Einschätzung der DIW-Forscherin Kerstin Bernodt derzeit nicht. „Man muss sich keine Sorgen machen und aus dem Geld fliehen“, sagt die auf Geldpolitik spezialisierte Wissenschaftlerin.


Wen betrifft eine anziehenden Inflationsrate am meisten?


In der Regel setzen die Gewerkschaften Lohnsteigerungen durch, mit denen die Teuerung ausgeglichen wird. In diesem und den kommenden Jahren könnten die Tarifverträge für die Arbeitnehmer sogar noch besser ausfallen. Selbst die Bundesregierung fordert Arbeitgeber und Gewerkschaften zu vergleichsweise hohen Abschlüssen auf. In diesen Fällen werden höhere Preise mehr als ausgeglichen. Anders ist es bei den tariflosen Berufsgruppen und den Beschäftigten, die bei ihrem Chef keine Chance auf eine spürbare Lohnerhöhung haben. Sie können sich bei gleichem Einkommen und steigenden Preisen weniger leisten. Die Einkommen der Rentner und Hartz-IV Empfänger hängt von der allgemeinen Lohnabwicklung ab. Ein Preisanstieg wird durch die regelmäßige Erhöhung der Renten und Regelsätze zumindest teilweise ausgeglichen.


Gibt es auch Gewinner?


Tendenziell profitieren Konsumenten mit Schulden von einer steigenden Inflationsrate. Denn da auch die Löhne anziehen wird es leichter, die Kredite abzutragen.


Warum ist Inflation in Deutschland ein Weg zur Bewältigung der Schuldenkrise in Europa?


Die deutschen Arbeitnehmer mussten sich in den letzten Jahren mit sehr bescheidenen Lohnabschlüssen begnügen, während ihre Kollegen in anderen Euroländern deutlich besser weg kamen. Das hat den hiesigen Unternehmen geholfen, weil ihre Produktionskosten niedrig blieben und sie international sehr gut mithalten konnten. Dagegen kämpfen die Unternehmen anderer Länder mit vergleichsweise hohen Kosten. Jetzt soll sich der Prozess umdrehen. Die Arbeitnehmer in den Krisenländern müssen den Gürtel enger schnallen, die Deutschen sollen mehr in der Tasche haben und ausgeben können. So wird einerseits der Wirtschaft in Spanien oder Italien geholfen, andererseits werden die Beschäftigten hierzulande für die Entbehrungen der letzten Jahre etwas entschädigt. Die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft in den verschiedenen Ländern gleicht sich damit tendenziell an. Die großen Unterschiede gelten als eine wichtige Ursache der Krise.



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