Kudamm-Raser bleiben Mörder

Auch im zweiten Prozess verurteilt das Berliner Landgericht zwei Raser nach einem tödlichen Unfall mit einem Unbeteiligten zu lebenslanger Haft. Der Fall wird wohl wieder vor dem Bundesgerichtshof landen. Auch das neue Recht schützt nicht vor einer Mordan

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Von Wolfgang Mulke

28. Mär. 2019 –

Das Berliner Landgericht hat die so genannten Kudamm-Raser zum zweiten Mal wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das erste Urteil hatte der Bundesgerichtshof (BGH) kassiert, weil die obersten Richter den bedingten Vorsatz als Mordmerkmal nicht sicher erkennen konnten. Das hielt den Vorsitzenden Richter des zweiten Prozesses, Matthias Schertz, nicht von einem gleichen Schuldspruch ab. „Die Kammer ist überzeugt, dass sie mit einem bedingten Tötungsvorsatz gehandelt haben“, sagte Schertz als Urteilsbegründung.

Die beiden heute 27 und 30 Jahre alten Täter hatten sich Ende Januar 2016 ein nächtliches Autorennen auf dem Kurfürstendamm geliefert. Nach 13 überfahrenen roten Ampeln und mit Tempo 170 beziehungsweise 140 knallte es schließlich zwischen der Gedächtniskirche und dem KaDeWe. Ein bei grün aus einer Seitenstraße einfahrender Jeep wurde beim Zusammenstoß mit einem der Rennwagen 70 Meter weit durch die Luft geschleudert. Der Fahrer, ein Rentner, starb dabei. Die beiden Täter und eine Mitfahrerin wurden dagegen nur leicht verletzt. „Sie haben mit dem Leben anderer gespielt“, hielt der Richter den beiden reglosen Angeklagten bei der Verkündung des Urteils vor.

Das zweite Urteil unterscheidet sich in einem zentralen Punkt vom ersten. Ein Gutachter hat festgestellt, dass der mit einem 380-PS-starken Mercedes rasende Marvin N. etwa 90 Meter vor der Unfall-Kreuzung kurz vom Gas ging, dann aber mit Vollgas weiterfuhr. Zu diesem Zeitpunkt, so Schertz, hätte die Kollision noch verhindert werden können. Doch dann habe N. die rücksichtslose Fahrt wieder aufgenommen, weil er das Rennen nicht verlieren wollte. Der Täter habe mit seiner Entscheidung damit den tödlichen Zusammenstoß billigend in Kauf genommen. Denn eine Kontrolle des Risikos sei angesichts der nicht einsehbaren Einmündung unmöglich gewesen. „Beide wussten, dass der Querverkehr grün hat“, sagte Schertz. Auch weitere Mordmerkmale sieht das Gericht als gegeben an. Das Opfer war demnach arglos und wehrlos, weil es bei grün über die Ampel gefahren sei. Und die Fahrzeuge stufen die Richter als „gemeingefährliches Mittel“ ein. „Die Fahrzeuge wurden zu Projektilen“, stellte Schertz klar.

Der Richter ließ durchblicken, dass er eine lebenslange Strafe für eine harte Entscheidung hält. Doch bei einer Verurteilung wegen Mordes sei eine andere Entscheidung rechtlich nicht möglich, betonte er. Nun haben die Angeklagten vier Wochen Zeit, erneut eine Revisionsverhandlung vor dem BGH zu beantragen. Das kündigten ihre Anwälte auch an. Sie hatten auf deutlich mildere Strafen plädiert und sahen im Hergang des Geschehens lediglich eine fahrlässige Körperverletzung.

Nach dem extremen Unfall vor drei Jahren hat sich die Rechtslage geändert. Neu ist der Paragraf 315d im Strafgesetzbuch, der bei illegalen Autorennen mit tödlichen Folgen eine Höchststrafe von zehn Jahren Haft vorsieht. Bei fahrlässiger Tötung können die Richter nur maximal fünf Jahre Freiheitsentzug verordnen. Doch rückwirkend kann der Paragraf für diesen Fall nicht angewendet werden. Außerdem betonte Richter Schertz, dass Raser trotz geänderter Rechtslage wegen Mordes dran kommen können, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Das Berliner Urteil war das erste dieser Art. Ein zweites wurde in Hamburg gefällt und Anfang März auch durch den BGH bestätigt.

Der Nebenkläger, Sohn des Opfers, hat die Tat von Anfang an als Mord angeprangert. „Mein Vater wurde aus dem Leben gerissen für einen Kick, ein bisschen Spaß“, sagt Maximilian Warshitsky, „Straßen sind nicht zum Rasen da.“ Die Gewerkschaft der Polizei begrüßt die Gerichtsentscheidung. „Wer mit extremer Geschwindigkeit und ohne Rücksicht auf Verluste über mehrere rote Ampeln rast, nimmt den Tod von Menschen billigend in Kauf“, erklärte Sprecher Benjamin Jendro.

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