Kündigen oder nicht kündigen?

Was können Kleinanleger tun, die in die Ökoenergiefirma Prokon investiert haben?

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Von Hannes Koch

13. Jan. 2014 –

Das Ökoenergie-Unternehmen Prokon, das unter anderem Windparks und Biogasanlagen baut, steckt in massiven Schwierigkeiten. Ein Teil des Geldes von rund 75.000 Anlegern, die etwa 1,4 Milliarden Euro eingezahlt haben, ist in Gefahr. In einem Brief an ihre Anleger warnt die Firma vor einer „Planinsolvenz wegen drohender Zahlungsunfähigkeit“. Was können Anleger nun tun? Unsere Zeitung beantwortet Fragen.

 

Wie ist die Lage im Unternehmen?

Prokon Regenerative Energien hat laut der Zeitschrift Finanztest 2012 Verluste von über 100 Millionen Euro erwirtschaftet. Prokon bittet ihre Anleger nun, fällige Zinsen für Kapitalanlagen nicht auszahlen zu lassen, um die Lage der Firma zu stabilisieren. Sie räumt ein, dass „zahlreiche Anleger aus Angst vor einem Verlust ihres angelegten Geldes ihre Genussrechte kündigen“. Gleichzeitig betont das Unternehmen, seine Verfassung sei grundsätzlich gesund. Man wehrt sich gegen den Vorwurf „eines angeblichen Schnellballsystems“, bei dem Löcher nur durch ständig neu eingeworbenes Kapital gestopft würden.

 

Welche Möglichkeiten haben Kleinanleger?

Sie können ihre Genussrechte, die im Falle Prokon übliche Anlageform, kündigen. Dann haben sie eventuell die Chance, ihr eingezahltes Kapital zurückzuerhalten. Die andere Seite der Medaille: Wenn noch mehr Leute aussteigen, nimmt die Gefahr der Insolvenz zu. Dann bekommen möglicherweise alle oder fast alle Anleger geringere Teile ihres Geldes ausgezahlt – ein Zwiespalt.

 

Was rät Finanztest?

Seit mehreren Jahren stehen Prokon-Anlagen auf der Warnliste von Finanztest, einer Zeitschrift der Stiftung Warentest. Finanztest-Redakteurin Renate Daum sagt: „Prokon-Anleger sollten sich vom Unternehmen nicht unter Druck setzen lassen. Beispielsweise müssen sie ihre Kündigung von Genussrechten nicht begründen. In jedem Fall ist es sinnvoll, das sich Anleger untereinander austauschen.“ So hat unter anderem die Anwaltskanzlei des ehemaligen Bundesinnenministers Gerhart Baum eine Interessengemeinschaft ins Leben gerufen, „für die sich betroffene Anleger kostenlos registrieren lassen können“. Die Kanzlei Baum, Reiter & Kollegen in Düsseldorf fordert Prokon auf, Klarheit über die finanzielle Lage der Firma zu schaffen. Einen konkreten Ratschlag, ob Anleger kündigen sollen, geben die Anwälte nicht.

 

Hat die Kündigung Vorteile?

Torsten Geißler, Anwalt für Bank und Kapitalmarkrecht in Jena, rät dazu, „Prokon-Genussrechte sofort zu kündigen. Das Unternehmen ist auf der schiefen Bahn, es wird wohl in etwa drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen müssen. Deshalb sollten Anleger jetzt retten, was noch zu retten ist. Dadurch kann sich der Status der jeweiligen Forderung verbessern und die Chance steigen, einen gewissen Teil des eingezahlten Kapitals zurückzuerhalten.“

 

Wie funktionieren Genussrechte?

Wer ein Genussrecht von beispielsweise 10.000 Euro zeichnet, beteiligt sich in dieser Höhe grundsätzlich am jeweiligen Unternehmen. Die Ausgestaltung ist vom konkreten Vertrag abhängig. Der Anleger gibt der Firma ein Darlehen. Diese verspricht Zinsen und spätere Rückzahlung des eingesetzten Kapitals. Wichtig: Genussrechte seien an Gewinn und Verlust der Firma beteiligt, sagt Anwalt Geißler. Schreibt ein Unternehmen rote Zahlen, kann das eingezahlte Kapital abnehmen. Weitere Gefahren: Die Zinsen kommen nicht. Oder das Geld verraucht, wenn die Firma pleitegeht.

 

 

Kann bei Unternehmensanleihen Ähnliches passieren?

Unternehmensanleihen, die viele Konzerne wie Banken und Automobilhersteller begeben, sind keine Beteiligungen, sondern Schuldverschreibungen. Sie bieten in der Regel einen entscheidenden Sicherheitsvorteil: Sie nehmen nicht an Verlusten des Unternehmens teil. Trotzdem sollte man sich die Details des Vertrages genau anschauen. Tausende Anleger, die sogenannte Mittelstandsanleihen kauften, mussten in den vergangenen Jahren Verluste hinnehmen. Seit die entsprechenden Börsensegmente in Deutschland 2010 eingerichtet wurden, beantragten zehn Emittenten Insolvenz, schreibt die FAZ.

 

Bekommen Prokon-Kunden weiter Strom?

Auch im Falle der Insolvenz erhielten die rund 40.000 Prokon-Stromkunden weiter Elektrizität, heißt es bei der Verbraucherzentrale NRW. Eventuell würden diese Haushalte aber in den teureren Grundversorgertarif des örtlichen Energieanbieters übernommen. Dann kann man wieder zu einem günstigeren Versorger wechseln.

 

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