Kumpan zieht Vespa davon

Deutsche gewinnen Plagiatsstreit gegen Marktführer

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Von Björn Hartmann

04. Sep. 2022 –

Innovatives Produkt fertig, Stand auf der wichtigsten Messe, direkt gegenüber dem des Marktführers. Patrik, Daniel und Philipp Tykesson wollen in Mailand mit ihrem neuen E-Moped Kumpan Electric die Branche aufmischen. Tempo 100, neueste Technik. Dann kommt die Polizei und nimmt die Fahrzeuge mit. Plagiatsverdacht. Marktführer Piaggio (Vespa) klagt beim Europäischen Markenamt. An diesem Tag im November 2018 könnte die Geschichte zu Ende sein. Doch die drei Gründer sind sehr hartnäckig. Und offenbar ist der Erfindergeist aus der deutschen Provinz überlegen.

Hersteller Piaggio – 2021 rund 1,67 Milliarden Euro Umsatz, 5700 Mitarbeiter – wollte damals seine E-Vespa vorstellen. Aber: „Unser Fahrzeug war technisch einfach besser“, behauptet Patrik Tykesson heute. Er ist Geschäftsführer von E-Bility – eher übersichtlicher Umsatz, 85 Mitarbeiter –, der die Marke Kumpan Electric gehört. Der Verdacht: Piaggio will den Konkurrenten einfach aus dem Verkehr ziehen. Der anschließende Rechtstreit hat fast vier Jahre gedauert. Die Beschwerdestelle des Markenamtes EUIPO entschied jetzt in zweiter Instanz – zugunsten der Deutschen (Az. R 1663/2020-3).

Die Geschichte von Kumpan Electric beginnt in der Garage – und mit der Leidenschaft des Großvaters für seinen alten Volvo. „Wir haben immer schon geschraubt und Fahrzeuge restauriert“, sagt Tykesson. „Das steckt in der Familie. Hauptsache, das Fahrzeug hat einen Motor.“ Nach dem Studium und zahlreichen Praktika in Unternehmen wollte Patrik sich 2009 selbstständig machen, die Brüder waren schnell mit dabei. Elektroantrieb sollte es sein. „Der Markt für E-Fahrräder war uns zu etabliert, Autos zu groß.“ Also E-Mopeds.

Und weil Asien als führend galt, flog Bruder Patrik für sechs Wochen nach China und Taiwan, besuchte Hersteller und fand schließlich einen, der passen konnte. Er baute Benzinroller für den europäischen Markt. „Wir haben dann das Fahrzeugüberarbeitet, praktisch mit der Flex zerlegt, und nach unseren Ideen wieder zusammengebaut“, erinnert sich der Geschäftsführer. Und elektrifiziert. Daraus entstand der erste Roller, den der asiatische Hersteller dann für die 2010 gegründete E-Bility baute.

Auf Dauer waren die drei Brüder mit dem E-Roller nicht zufrieden. Die Qualität entsprach nicht den Vorstellungen. Wegen der Entfernung dauerte es zu lange, bis neue Ideen umgesetzt wurden. „Und wir hatten keine vollständige Kontrolle.“ 2015 entschieden die Tykessons, ein neues Produkt zu entwickeln. 85 Prozent der Teile kommen heute aus Deutschland, die vier verschiedenen Hauptmodelle werden in der eigenen Fabrik in Remagen gebaut. Die erste Maschine lief im August 2018 vom Band.

Akku, Controller und Motor haben die Tykessons selbst entwickelt. „Wir haben kein adäquates Material aus dem Regal gefunden.“ Selbst um die Stecker haben sie sich gekümmert. „Wir sind heute noch Technologie-Marktführer“, behauptet Patrik Tykesson. Als Konkurrenten sieht er neben Piaggio vor allem Honda und Yamaha.

Dazu kommt das Design. „Wir haben Elemente der 50er und 60er Jahre genommen und integriert. Wir haben uns bewusst für ein klassisches Design entschieden“, sagt der Geschäftsführer. Nur eben deutlich moderner. Eigene Technik, eigenes Design, beim europäischen Markenamt eingetragen. Fehlte 2018 nur noch etwas Aufmerksamkeit.

Bei der Intermot in Köln hatte Kumpan schon einen Stand neben Marktführer Piaggio gebucht. „Da kommen Händler aus aller Welt vorbei, das wollten wir nutzen.“ Und den Kölner Erfolg in Mailand bei der EICMA, der wichtigsten Messe der Branche, mit neuen Modellen wiederholen. Doch statt der erhofften Journalisten und Fachhändler kamen Anwälte und Polizisten.

Die vier ausgestellten Fahrzeuge wurden beschlagnahmt. Das italienische Gesetz ist da anders als im Rest Europas. Über Nacht brauchte Kumpan eine Abwehrstrategie. Die lief übers Netz machte das Unternehmen bekannter. Schließlich kämpft nicht jeden Tag ein kleiner Newcomer gegen den Marktführer. Das Verfahren vor dem EUIPO zog sich, Piaggio verlor in erster Instanz und jetzt auch vor der Beschwerdestelle, die keine Übereinstimmung des Kumpan-Rollers mit der Vespa feststellte, nur allgemein für solche Fahrzeuge übliche Ähnlichkeiten.

Das Verfahren hat viel Kraft gebunden, das Geschäft aber nicht vollständig blockiert. „Wir können unser Fahrzeuge grundsätzlich überall verkaufen außer in Italien“, sagt Tykesson. Schwerpunkt ist bisher Deutschland. Kumpan-Roller sind aber auch in anderen europäischen Ländern, sogar in Florida unterwegs. Verkauft wird vor allem online. Es gibt ein Geschäft in Köln, einen Werksverkauf in Remagen und den fliegenden Vertrieb, der zum Kunden kommt.

Hätte Piaggio gewonnen, hätte das auch Folgen für andere Anbieter und Märkte gehabt, sagt der E-Bility-Geschäftsführer. „Wir waren uns sicher, alles richtig gemacht zu haben. Aber selbst verständlich sind auch wir nicht fehlerfrei.“ Noch läuft die Einspruchsfrist. Piaggio hat sich auf Anfrage bisher nicht geäußert, ob sie die Niederlage akzeptieren oder vor das Gericht der EU ziehen wollen. Stichtag ist der 3. Oktober.

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