Längere Streiks drohen
Tarifgespräche bei Bahn stocken
20. Apr. 2023 –
Am Freitag wird auf Deutschlands Schienen wieder einmal wenig fahren. Die Eisenbahnergewerkschaft EVG hat im Tarifkonflikt mit den Bahnunternehmen zum Warnstreik aufgerufen. Dieses Mal geht es nur um ein paar Stunden, doch es könnte für Reisende bald unangenehmer werden: Die EVG droht mit einem umfangreicheren Arbeitskampf. Und im Herbst könnte es weitergehen: Dann beginnen Tarifverhandlungen mit der kämpferischen Lokführergewerkschaft GDL.
Der Warnstreik am Freitag soll um 3 Uhr nachts beginnen und um 11 Uhr vormittags enden. Betroffen sind Fern- und Nahverkehr. EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay geht davon aus, dass in der Zeit praktisch kein Zug unterwegs ist. Denn ohne Fahrdienstleiter, die den Betrieb steuern, geht nichts. Aufgerufen zum Ausstand sind alle Gewerkschaftsmitglieder in den rund 50 Unternehmen, mit denen die EVG gerade neue Tarifverträge verhandelt.
Die Gespräche stocken fast überall. Vor allem die Deutsche Bahn hat nach Ansicht der Gewerkschaft bisher kein akzeptables Angebot vorgelegt, über das sich Gespräche lohnten. Bei dem Staatskonzern arbeiten 180.000 der 230.000 Beschäftigten, für die die EVG verhandelt. Kommenden Dienstag ist die dritte Tarifrunde angesetzt. Die Bahn hat bereits Lohnerhöhungen angeboten. Zuletzt hatte sie vorgeschlagen, das Schlichtungsangebot für den öffentlichen Dienst als Grundlage zu nehmen, was die EVG ablehnt. Die Bahn sei schließlich anders als der öffentliche Dienst, es werde zudem auf kein Forderung der Gewerkschaft eingegangen. Auch die privaten Bahnunternehmen halten sich mit Angeboten zurück.
Die Gewerkschaft droht deshalb schon mal mit Eskalation: „Wir sind bereit, die Streiks massiv auszuweiten“, sagte Co-Verhandlungsführer Kristian Loroch. „Wir brauchen mehr Tempo.“ Einen genauen Zeitpunkt nannte er nicht. Für Mai ist noch ein Verhandlungstag bei der Deutschen Bahn vorgesehen. Die harte Haltung der EVG kann auch damit zusammenhängen, dass die GDL im Herbst ebenfalls verhandelt. Sie will nicht nur für Lokführer, sondern auch andere Unternehmensbereiche abschließen. Dort hat bisher die EVG die Tarifhoheit. Die GDL ist nicht zimperlich, wenn es um Streiks geht.
Der Warnstreik am Freitag endet um 11 Uhr, danach soll sich der Betrieb wieder normalisieren. Die Gewerkschaft wisse, dass gerade am Freitag viele Menschen ins Wochenende oder nach Hause führen, sagte die Verhandlungsführerin. Den ganzen Tag zu streiken, sei unverhältnismäßig, sagte Loroch. Die Bahn sieht das anders: „Dieser Streik ist völlig unnütz und unnötig. Am Freitag, dem reisestärksten Tag der Woche, trifft er viele Pendler und Pendlerinnen besonders hart“, sagte Personalvorstand Martin Seiler. „Die EVG hat Maß und Mitte komplett verloren und setzt nur auf Krawall.“
Die Gewerkschaft fordert zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens 650 Euro brutto bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Bei der Deutschen Bahn geht es dann noch darum, Lohnunterschiede für gleiche Arbeit in Ost und West sowie Nord und Süd anzugleichen und einen Mindestlohn einzuführen. Die Bahn bietet bisher eine Inflationsprämie von 2500 Euro sowie fünf Prozent mehr Lohn in zwei Schritten. Der Tarifvertrag soll zwei Jahre und drei Monate laufen. Die Schlichtung im öffentlichen Dienst sieht mindestens 200 Euro vor, von März 2024 an sollen 5,5 Prozent – mindestens 340 Euro – dazukommen. Bereits ist ein Inflationsausgleich von insgesamt 3000 Euro gestaffelt geplant. Die Laufzeit soll rückwirkend vom 1. Januar 2023 an 24 Monaten gelten.
Wer auf Fernstrecken am Freitag auf den Flieger ausweichen will, könnte ebenfalls Probleme bekommen. Die Gewerkschaft Verdi hat das Sicherheitspersonal an den Flughäfen Düsseldorf, Hamburg und Köln/Bonn zu Warnstreiks aufgerufen. Der Ausstand beginnt in der Nacht zu Donnerstag und endet in der Nacht zu Sonnabend. Zahlreiche Flüge dürften ausfallen oder verspäten. Verdi will beim Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen höhere Zeitzuschläge für Nacht-, Wochenend- und Feiertagsarbeit durchsetzen und höhere Entgelte für Überstunden. Die nächste Verhandlungsrunde ist für kommende Woche vorgesehen.