„Lange wird sich die Schweiz nicht mehr drücken können“

Der Mindestsatz im Steuerabkommen müsse 25 Prozent betragen, sagt SPD-Finanzminister Carsten Kühl aus Rheinland-Pfalz

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Von Hannes Koch

20. Aug. 2012 –

Tages-Anzeiger: Ist das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland tot, oder zuckt es noch?


Carsten Kühl: Etwas Leben steckt noch in ihm. Aber es ging ihm schon mal besser.


Tages-Anzeiger: Gegen das Abkommen, das die deutsche Regierung mit der Schweiz ausgehandelt hat, droht Ihre Partei mit Blockade. Unter anderem das SPD-regierte Hamburg aber macht keinen entschlossenen Eindruck. Bröckelt Ihre Front?


Kühl: Die SPD-geführten Bundesländer haben eine gemeinsame, ablehnende Position formuliert. Seitdem hat die Schweiz einige Zugeständnisse gemacht. Diese halten wir jedoch nicht für ausreichend. Nun muss jedes Bundesland entscheiden, welche Konsequenzen es daraus zieht. Dieser Prozess dauert an. Momentan habe ich den Eindruck, dass das Abkommen auf dem gegenwärtigen Stand keine Chance hat.


Tages-Anzeiger: Mit der Blockade-Drohung in der deutschen Länderkammer wollen Sie weitere Zugeständnisse erzwingen. Unter welchen Umständen wären Sie zur Zustimmung bereit?


Kühl: Wir betreiben keine Blockadepolitik. Wir haben, als uns die Bundesregierung einbezogen hat – das war leider viel zu spät, nämlich erst nach der Ratifizierung – konstruktive Vorschläge unterbreitet. Eine Nachbesserung verlangt die SPD unter anderem beim Mindeststeuersatz für die Nachversteuerung deutscher Vermögen. Die bisher vereinbarten 21 Prozent sind zu niedrig. Es sollten mindestens 25 Prozent sein.


Tages-Anzeiger: Dass die Schweiz auf die Anonymität der deutschen Konten verzichtet, ist für Sie keine zentrale Bedingung mehr?


Kühl: Die beste Lösung wäre ein vollständiger Informationsaustausch zwischen beiden Ländern. Uns ist aber klar, dass mit der Schweizer Regierung an diesem Punkt gegenwärtig noch keine Einigung zu erzielen ist. Deswegen haben wir diese Forderung mit schwerem Herzen fallen gelassen. Unakzeptabel wäre es allerdings, wenn Schweizer Banken deutschen Steuerbürgern helfen, ihr Geld in Drittländer zu schaffen, damit jene die Steuerpflicht weiterhin umgehen können. Wir bitten die Schweizer Institute dringend, glaubhaft darzulegen, dass sie das organisierte Abschleichen nicht fördern.


Tages-Anzeiger: Schweizer Banken bestreiten, dass sie deutschen Steuerpflichtigen helfen, das Abkommen zu umgehen. UBS-Verwaltungsratspräsident Axel Weber hat dies ausdrücklich unterstrichen. Enthalten die CDs, die die nordrhein-westfälische Steuerfahndung unlängst gekauft hat, tatsächlich Gegenbeweise?


Kühl: Da müssen Sie die Kollegen in Nordrhein-Westfalen fragen. Allerdings bekommen alle Bundesländer Hinweise auf solche Praktiken. Die Schweizer Banken stehen in der Pflicht, den Beweis anzutreten, dass die Vorwürfe nicht zutreffen. Sie müssen jetzt neues Vertrauen schaffen. In der gegenwärtigen Situation können wir über die Indizien nicht einfach hinwegschauen.


Tages-Anzeiger: Beweise für die Behauptungen verlangt die Schweiz auch von Deutschland. Wie kommt man aus diesem unproduktiven Schwarzer-Peter-Spiel heraus?


Kühl: Beide Seiten müssen zur Aufklärung beitragen. Dieser Punkt ist zentral für die Zustimmung der SPD-Länder zum Steuerabkommen.


Tages-Anzeiger: Gibt es die CDs überhaupt, die NRW angeblich gekauft hat, oder erfinden die SPD-Länder nur ein neues Druckmittel?


Kühl: Diese Unterstellung halte ich für absurd.


Tages-Anzeiger: Dient Ihre harte Haltung nicht vornehmlich der Positionierung gegen die Bundesregierung im Hinblick auf den Bundestagswahlkampf 2013?


Kühl: Der Punkt ist, dass die SPD für Steuergerechtigkeit plädiert. Dies gilt umso mehr in Zeiten harter Konsolidierung in Folge der Schuldenbremse. Da haben die Leute das Recht auf steuerliche Gleichbehandlung. Gerade Vermögende dürfen sich nicht billig davonstehlen.


Tages-Anzeiger: Möglicherweise wären die deutschen Steuereinnahmen dank des Abkommens höher als die Nachversteuerung hinterzogener Vermögen, die augenblicklich stattfindet. Fügen Sie sich nicht selbst finanziellen Schaden zu?


Kühl: Wie die Rechnung am Ende aufgeht, weiß ich nicht. Ich befürworte ein Steuerabkommen mit der Schweiz - aber bitte eine besseres und gerechteres als das gegenwärtige.


Tages-Anzeiger: Durch gekaufte Daten und Ermittlungsverfahren haben die deutschen Finanzämter bisher angeblich zwei Milliarden Euro an Nachzahlungen vereinnahmt. Wollen Sie das Abkommen so lange in der Schwebe halten, bis Sie die Mehrheit der deutschen Millionäre in der Schweiz samt ihren Vermögen erwischt haben?


Kühl: Nein, ich will das Abkommen so verändern, dass es unseren Vorstellungen entspricht.


Tages-Anzeiger: Manche in der SPD denken, die Schweiz stehe international so unter Druck, dass sie einem Abkommen zu deutschen Bedingungen schon noch zustimmen werde. Die Schweizer Regierung aber sagt klar und deutlich, dass es keine weiteren Verhandlungen gebe.


Kühl: Was die Schweiz augenblicklich praktiziert, ist kein Zukunftsmodell. Ich bin sicher, dass Ihre Regierung und die eidgenössischen Banken das auch wissen. Lange wird sich die Schweiz vor dem vollständigen Informationsaustausch mit den Finanzbehörden anderer Staaten nicht mehr drücken können. Vielleicht dauert es noch drei, vielleicht auch fünf Jahre.


Tages-Anzeiger: Sie riskieren einen jahrelangen unerfreulichen Zustand der Disharmonie – in einer Zeit, da Europa ohnehin auseinanderdriftet. Sollte man nicht lieber Gemeinsamkeiten finden?


Kühl: Wir sind jederzeit zu Kompromissen bereit. Die SPD-Länder beharren nicht auf Maximalforderungen. Ich würde gerne ohne Argwohn und Grimm verhandeln und möchte rasch zu einem guten Ergebnis kommen.


Carsten Kühl (50) ist Finanzminister der rot-grünen Landesregierung von Rheinland-Pfalz. Er koordiniert die gemeinsame Finanzpolitik der SPD in den deutschen Bundesländern.

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