Lebensmittelpreise sollen kräftig steigen

Ernährungsindustrie kündigt vor der Grünen Woche kräftigen Preissprung an / Nahrungsergänzungsmittel aus dem Internet oft gefährlich

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Von Wolfgang Mulke

18. Jan. 2012 –

Lebensmittel könnten in diesem Jahr deutlich teurer werden. Das kündigt die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) kurz vor Beginn der Internationalen Grünen Woche in Berlin an. „Wir benötigen drei bis vier Prozent Preiserhöhung“, sagt BVE-Chef Jürgen Abraham. Die Verarbeiter begründen den Wunsch mit stark angestiegenen Rohstoffkosten. Der entsprechende Index für Nahrungs- und Genussmittelrohstoffe sei im vergangenen Jahr um 23 Prozent gestiegen. Insgesamt mussten die Unternehmen Kostensteigerungen von gut fünf Prozent hinnehmen, konnten die Preise aber nur um 2,8 Prozent anheben.

Ob sich die Hersteller der Lebensmittel mit ihrer Forderung durchsetzen können, ist noch nicht ausgemacht. Supermarktketten und Discounter haben eine starke Marktmacht und liefern sich untereinander einen ausgeprägten Wettbewerb. Die Händler drücken daher mit aller Macht die Einkaufspreise. Von tendenziell anziehenden Preisen geht allerdings auch das Bundeslandwirtschaftsministerium aus.

Die Ernährungswirtschaft zeigt sich vor der Eröffnung der Grünen Woche am heutigen Abend zufrieden. Die Industrie konnte ihren Umsatz im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent auf gut 162 Milliarden Euro steigern. Vor allem im Ausland werden deutsche Produkte zunehmend gefragt. Die Erzeuger haben die Wirtschafts- und Finanzkrise auch gut überstanden. Der Bauernverband spricht von einem soliden Wachstumskurs und steigenden Einkommen der Landwirte.

Mit 1.600 Ausstellern aus 59 Ländern bleibt die Grüne Woche die wichtigste Leistungsschau der Ernährungswirtschaft. Bis zum 29. Januar erwarten die Veranstalter mehr als 400.000 Besucher in den Messehallen unter dem Funkturm. Auch politisch gewinnt die Messe weiter an Gewicht. Zum diesjährigen Agrarministertreffen haben haben sich die 75 Landwirtschaftsminister aus aller Welt angemeldet.

Doch nicht alle Nachrichten im Vorfeld der Schau sind positiv. Viele im Internet angebotene Nahrungsergänzungsmittel sind zum Beispiel für die Käufer gefährlich. „jedes dritte exotische Power-, Potenz und Schlankheitsmittel enthielt illegale und hochgradig gesundheitsgefährdende Substanzen“, warnt Angela Clausen, die für die Verbraucherzentrale NRW einen Marktcheck durchgeführt hat. Warnhinweise gab es nur in wenigen Fällen.

Der Markt für Mittel, die schlank und schön machen sollen, wächst beständig an. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) geht von einem jährlichen Umsatz von 150 bis 170 Millionen Euro in diesem Segment aus. Eine Befragung bestätigt den Trend zu Lebensmittel mit gesundheitlichem Zusatznutzen. Fast jeder zweite Deutsche greift mehrmals im Monat zu Produkten mit Heilsversprechen.

Die Verbraucherschützer fanden in fast zwei Dritteln der Diätmahlzeiten verbotende Wirkstoffen wie den Schlankmacher Sibutramin, der vor knapp zwei Jahren aus dem Verkehr gezogen wurde. In Sportlernahrung fanden sich ebenso häufig Dopingpräparate wie Amphetamin. Bei den Potenzmitteln war das Ergebnis ähnlich erschreckend.

Eine wirksame Kontrolle der Angebote findet nach Einschätzung des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure nicht statt. „Jeden Tag tauchen neue Firmen mit dubiosen Produkten im Internet auf“, klagt der Verbandsvorsitzende Martin Müller. Die Gewerbeämter seien mit der Überwachung hoffnungslos überfordert. Er fordert 1.500 neue Stellen für die Kontrollbehörden. Außerdem müsse die Lebensmittelüberwachung zentralisiert werden. Derzeit sind die Länder dafür zuständig. Die meisten Aufgaben erledigen kommunale Verwaltungen.

Die Lebensmittelkontrollen sind auch vor der am heutigen Abend startenden Grünen Woche ein heiß diskutiertes Thema. Im Mittelpunkt der Debatte steht die Tierhaltung, vor allem die Behandlung von Rindern, Schweinen und Geflügel mit Antibiotika. Bauern-Präsident Gerd Sonnleitner sieht keinen Anlass für schärfere Gesetze. Die Bauern selbst hätten das größte Interesse,  die bei Untersuchungen gefundenen resistenten Keime zu verhindern. Die Landwirte wollen eine bessere Überwachung der Arzneivergabe unterstützen.




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