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Letzte Runde im Streit um die Tarifeinheit

Vor dem Bundesverfassungsgericht beginnt die Verhandlung über das Gesetz, dass die Macht der Kleingewerkschaften bedroht. In der Praxis spielt die umstrittene Regelung noch gar keine Rolle.

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Von Wolfgang Mulke

25. Jan. 2017 –

Viel Prominenz findet sich heute vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will den obersten Richtern gerne selbst darlegen, warum das von ihr 2015 durchgesetzte Tarifeinheitsgesetz der Verfassung entspricht. Gewerkschaftsführer wie der Chef des Deutschen Beamtenbundes (dbb) und Spitzenvertreter der Krankenhausärzte und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vervollständigen den Reigen der Gäste. Es geht um das so genannte Tarifeinheitsgesetz, das der Bundestag 2015 verabschiedet hat und das die Macht von kleinen Gewerkschaften brechen soll.

Nach dem Tarifeinheitsgesetz gilt in einem Betrieb immer nur ein Tarifvertrag, der mit der jeweils mitgliederstärksten Gewerkschaft abgeschlossen wird. Wenn unklar ist, welche Organisation vor Ort die meisten Mitglieder vorweisen kann, zählen unabhängige Notare die Mehrheitsverhältnisse aus. Damit wird den kleineren Gewerkschaften praktisch die Fähigkeit zum Arbeitskampf genommen. Denn ein Streik lohnt sich nicht, wenn die Gewerkschaft gar nicht tariffähig ist. Das halten die Kläger gegen das Gesetz für verfassungswidrig. „die Berufsgewerkschaften sind in Gefahr, weil ihre ureigenste Daseinsberechtigung in Frage gestellt wird“, stellt dbb-Chef Klaus Dauderstädt fest.

Es geht um eine ganze Reihe, zum Teil sehr kampfstarker Spartengewerkschaften. Der Öffentlichkeit sind wohl die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) und die Vereinigung Cockpit (VC) am besten bekannt. Beide Organisationen haben mit vielen Streiks für ihre jeweilige Berufsgruppe hohe Abschlüsse durchsetzen können. Sie haben den großen Vorteil, dass sie mit vergleichsweise wenige Leuten den Betrieb ihrer Unternehmen weitgehend lahmlegen können. Auch der Marburger Bund hat in Karlsruhe geklagt. Er vertritt rund 140.000 Krankenhausärzte. Würden die Arbeitgeber in den Kliniken lieber mit Verdi als Vertreterin der Pfleger und Schwestern verhandeln, könnten die Verdienstzuwächse der Ärzte schmaler ausfallen als zuletzt. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe kleinerer Berufsgewerkschaften, die in Einzelfällen wie der christlichen Metallgewerkschaft in Konkurrenz zu einer Großgewerkschaft stehen.

Vor Beginn der Verhandlung wollten sich die Beteiligten nicht weiter äußern. So ist die Begründung des Gesetzes von der Arbeitsministerin weiterhin aktuell. „Wir wollen Kollisionen vermeiden, auflösen und Kooperationen stärken“, warb Nahles für ihr Vorhaben. Die Bundesregierung hatte bei der Formulierung streng darauf geachtet, dass das Streikrecht formal unangetastet bleibt. Doch faktisch ist es wenigstens teilweise ausgehebelt, weil ein Arbeitskampf für zahlenmäßig unterlegene Vertretungen unsinnig ist. Auf lange Sicht befürchten Gewerkschafter, dass die Spartengewerkschaften ihre Mitglieder verlieren, wenn sie ihre Interessen gar nicht vertreten dürfen.

Bisher gab es noch keinen Fall, in dem das Gesetz angewendet wurde. Einer könnte in diesem Jahr jedoch eine Premiere darstellen. Bei der Lufthansa-Tochter Eurowings beanspruchen sowohl die Unabhängige Flugbegleiterorganisation (UFO) als auch Verdi die Mehrheit der Mitglieder unter den Flugbegleitern für sich. Der Verhandlungspartner der Arbeitgeber muss notfalls ausgezählt werden. Wenn die Verfassungsrichter das Tarifeinheitsgesetz vorher kippen, erübrigt sich dieser Konflikt womöglich. Doch bis zu einer Entscheidung werden voraussichtlich noch einige Monate vergehen.

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