Löblich, aber falsch

Vorkasse bei Flugreisen sollte Bestehen bleiben

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Von Björn Hartmann

22. Aug. 2022 –

Niedersachsen will die Verbraucherrechte stärken und deshalb per Bundesratsinitiative die Vorkasse bei Flugreisen abschaffen. Bisher müssen Tickets bei der Buchung bezahlt werden. Künftig soll der Idee nach beim Check-in – also näher am Flug – gezahlt werden. Eine Initiative zum Wohl der Kunden ist immer löblich. Diese hier greift leider zu kurz, löst das Problem nicht und schadet möglicherweise den Verbrauchern.

Zunächst einmal: Wenn die gut 150 Passagiere eines A320 erst kurz vor dem Flug noch am Check-in-Schalter bezahlen müssen, womöglich in bar, dürfte es lange Schlangen geben. Flughäfen, Bodenabfertiger, Fluggesellschaften bemühen sich seit Jahren, genau das zu vermeiden und die Abfertigung zu beschleunigen, um pünktlicher fliegen zu können. Zahlt man beim digitalen Check-in ein paar Tage vor dem Flug, entfallen die Schlangen. Doch eine Garantie, dass der Flug abhebt, ist das nicht. Und auch keine Garantie dafür, sein Geld bei Ausfall schnell wiederzubekommen.

Für die Passagiere, gerade die preisbewussten Deutschen, wird es ohne Vorkasse zudem teurer. Rabatte, die derzeit bekommt, wer früh bucht und zahlt, entfielen. Frühes Buchen hat auch den Vorteil, zu wissen, dass man einen Platz garantiert hat. Die Fluggesellschaften können so genauer planen und die Maschinen besser auslasten. Dafür gewähren sie die Rabatte.

Nun könnten die Firmen ein Reservierungssystem einführen. Sitz buchen, beim Check-in bezahlen. Dann ist der Anreiz, den Flug tatsächlich zu nehmen, aber nicht besonders hoch. Kunden lassen dann zum Beispiel die Reservierung verfallen, weil es in London regnen soll und der geplante Wochenendtrip doch nicht so attraktiv wirkt. Sitze im Flieger bleiben so leer. Die Kosten dafür wird die Fluggesellschaft in die Ticketpreise einrechnen, sie werden steigen.

Und nicht zuletzt: Warum soll es nur den Flugverkehr treffen? Was ist mit Pauschalreisen, die in der Regel auch vorab gezahlt werden müssen? Was ist mit der Deutschen Bahn, deren Rabatttickets früh gebucht und bezahlt werden müssen? Was mit Nahverkehrsfirmen, die Monats- oder Jahreskarten gegen Vorkasse verkaufen? Oder mit Konzertveranstaltern? Manche Karten müssen mehr als ein Jahr im Voraus bezahlt werden. Eine Garantie, dass das Konzert dann läuft, gibt es nicht.

Die Politiker bieten eine vermeintlich einfache Lösung an, die gut klingt – zumal im Wahljahr des niedersächsischen Landtags –, aber nicht zum Problem passt. Denn Niedersachsens Vorschlag hat einen entscheidenden Fehler: Vorkasse ja oder nein ändert nichts daran, ob ein Unternehmen den Flugpreis schnell binnen weniger Tage oder langsam nach Monaten zurückzahlt. Dafür gibt es bereits heute Fristen. Und im Zweifelsfall den Klageweg.

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