Lösung gesucht für das Ökostrom-Paradox
Wind- und Solarexperten raten zu geringerer Vergütung für saubere Energie
13. Feb. 2013 –
Die Energiewende ist zu teuer und kann bedeutend billiger werden. Das ist die These von Unternehmern, die ein Interesse am Erfolg der Erneuerbaren Energien haben. Teilweise sei die Vergütung für Strom aus Windkraftwerken „irrational hoch“, sagte Johannes Lackmann am Mittwoch. Der ehemalige Vorsitzende des Bundesverbandes Erneuerbare Energien und Geschäftsführer der Firma Westfalenwind in Paderborn sprach beim Kongress „Die Zukunft des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – Evolution oder Systemwechsel“ in Berlin.
Lackmann bezifferte die mögliche Einsparung auf eine Milliarde Euro jährlich. Dadurch könnten die Strompreise sinken, die Privathaushalte und Firmen zahlen. Ähnlich argumentierte Philippe Welter, der Herausgeber der Zeitschrift Photon aus Aachen. Teilweise liege die aktuelle Vergütung laut Gesetz gegenwärtig um 30 Prozent über dem, was Solarparks brauchten, um wirtschaftlich zu arbeiten. Veranstaltet hat die Tagung die Organisation Agora Energiewende, die Rainer Baake leitet, ehemaliger Staatssekretär des grünen Bundesumweltministers Jürgen Trittin.
Derzeit ist die Debatte über den Beitrag der Ökoenergie an den steigenden Elektrizitätskosten wieder in vollem Gange. Um einem neuerlichen Anstieg im kommenden Jahr vorzubeugen, hat Umweltminister Peter Altmaier (CDU) die Umweltminister der Bundesländer für Donnerstag nach Berlin eingeladen. Mit ihnen will er sich „bis Ende März“ auf ein Konzept einigen. Schon in den kommenden Tagen möchte Altmaier einen Konsens mit FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler über seinen Vorschlag der „Strompreissicherung“ finden.
Bei der Agora-Tagung ging es vornehmlich um die langfristige Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Das Problem besteht unter anderem darin, einen erstaunlichen Widerspruch aufzulösen. Durch die zeitweise hohe Produktion von Solar- und Windstrom beispielsweise an sonnigen Tagen zur Mittagszeit oder an stürmischen Herbsttagen sinkt der Börsenpreis für Strom auf wenige Cent. Das große Angebot drückt den Preis - für die Verbraucher ist die Energie dann eigentlich sehr billig. Trotzdem erhalten die Solar- und Windstrom-Produzenten eine weit höhere garantierte Vergütung zwischen zehn und 20 Cent pro Kilowattstunde, die die Stromkunden finanzieren müssen. Em Ende ist der Strom teuer, obwohl er billig verkauft und hergestellt wird – ein Paradox.
Felix Matthes vom Öko-Institut plädierte deshalb dafür, die gesetzliche Vergütung für Solar- und Windstrom in „einen festen und einen variablen Bestandteil“ aufzuspalten. „Der variable Vergütungsbestandteil sollte den zeitgenauen Wert des erzeugten Stroms auf Grundlage der jeweiligen Börsenpreise reflektieren“, so Matthes. Im Gegensatz zu heute könnte das Preissignal dann sowohl bei den Produzenten, als auch bei den Konsumenten ankommen. Wind- und Solarparks müssten günstiger herstellen, Nachfrager würden die Elektrizität nutzen, wenn sie billig ist. Im Ergebnis könnten die gesellschaftlichen Kosten der Energiewende sinken.
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Kompromisslinie in der Energiedebatte
Wenn sich Bundesumweltminister Peter Altmaier am Donnerstag mit den Bundesländern und dem Wirtschaftsministerium zum Thema „Strompreise“ trifft, liegen die Positionen auf den ersten Blick weit auseinander. Altmaier will die Umlage des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, die unter anderem die Privathaushalte zugunsten des Ökostroms bezahlen, vorläufig stabil halten. So sollen die bereits geförderten Solar- und Windparks entgegen der bisherigen Regelung einen „Energie-Soli“ entrichten, wenn die Kosten aus dem Ruder laufen. Außerdem möchte Altmaier, dass die Förderung für neue Anlagen nach je Kostensituation einige Monate später beginnt. Angesichts solcher Unwägbarkeiten werde kein Investor mehr Wind- oder Solarkraftwerke bauen, kritisieren unter anderem die Grünen.
Gleichwohl gibt es Kompromisslinien zwischen Bund und Ländern, sowie Koalition und Opposition. Beispielsweise könnte die Einspeisevergütung für Ökostrom nach Standorten differenziert werden. Orte mit hohem Wind- oder Solarertrag erhielten dann eine geringere Förderung als schwächere Standorte. FDP und Grüne können sich hier Einschnitte vorstellen. Außerdem wollen sowohl Altmaier als auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin den bisher befreiten Eigenverbrauch von Ökostrom zusätzlich mit der EEG-Umlage belasten. Ferner plädieren beide dafür, Vergünstigungen für energieintensive Industriebetriebe zu vermindern.
Ob es dieses Jahr zu einer kleinen Reform kommt, ist wegen der Bundestagswahl allerdings fraglich. Die Opposition will der Regierung nur ungerne einen Erfolg gönnen. Zudem können die rotgrün regierten Ländern über den Bundesrat vieles verhindern.