Lügen erlaubt
Bewerber dürfen erfinderisch sein/ Bluttests sind nur unter bestimmten Umständen zulässig
14. Jan. 2010 –
Manche Chefs begnügen sich nicht mit einem geistigen Fitnesstest ihrer Bewerber. Sie wollen auch wissen, wie es um die Gesundheit der potentiellen Mitarbeiter bestellt ist – und zapfen ihnen Blut ab. Doch ist das erlaubt? Und was dürfen Arbeitgeber über ihr Personal eigentlich in Erfahrung bringen?
Schon die Frage nach dem Blutabzapfen ist schwer zu beantworten. Zwar dürfen Unternehmen nicht so einfach Blut von Bewerbern nehmen. „Das ist so generell nicht erlaubt“, sagt Svenja Sottorf von der deutschlandweit agierenden Kanzlei Hensche Rechtsanwälte. Kommt ein Bewerber jedoch in die engere Auswahl für den Job, kann ein Bluttest verlangt werden, wenn eine Krankheit die Ausübung der Tätigkeit verbietet. „Ärzte werden zum Beispiel auf Hepatitis getestet“, so die Juristin. Das Vorgehen von Daimler, auf Diabetes zu prüfen und die Untersuchung damit zu begründen, dass Schichtarbeit mit der Krankheit schlecht möglich sei, hält Sottorf jedoch für „unzulässig.“
Es gibt keinen Katalog, der all die verbotenen Dinge enthält, die Chefs nicht auskundschaften dürfen. Es lässt sich nicht mal eben so einfach nachschlagen, ob ein Vorgesetzter fair handelt. Ebenso existiert noch kein spezielles Datenschutzgesetz für Arbeitnehmer. Und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) wiederum, enthält nur sehr allgemeine Aussagen. „Denen kann man im Einzelfall schwer entnehmen, ob ein Datenschutzverstoß vorliegt oder nicht“, erklärt Sottorf. Erst im Verlauf des Jahres will die Bundesregierung den Arbeitnehmerdatenschutz gesondert regeln.
Ein Blick ins BDGS macht deutlich, was die Juristin meint: Paragraf 28 Absatz 1 besagt, dass Daten erhoben werden können, wenn dies erforderlich und verhältnismäßig ist. „Je tiefgreifender der Eingriff in die Privatsphäre des Betroffenen, desto strenger sind die Anforderungen an die Zulässigkeit der Datensammelei“, erklärt Sottorf. Erforderlich und verhältnismäßig müssen die Informationen also sein. Und welche Auskünfte sind das? „Der Chef darf alles das fragen, was für die Tätigkeit relevant ist“, so die Arbeitsrechtlerin. Dazu gehören zum Beispiel Fragen zur Ausbildung, zum Berufsweg und über welche Kenntnisse der Bewerber verfügt.
Es gibt eine Reihe typischer Fragen, die Arbeitgebern nicht gestattet sind, weil die Antworten darauf keinen Einfluss darauf haben dürfen, ob ein Bewerber eingestellt wird oder nicht. Religions- oder Gewerkschaftszugehörigkeit gehen den Chef zum Beispiel nichts an. Ebenso ist es Privatsache, ob eine Schwangerschaft besteht oder welche sexuellen Vorlieben existieren. Eine Ausnahme für Auskünfte über die Religion gilt allerdings, wenn die Bewerbung bei einer Kirche eingereicht wird. Und Fragen zu Vorstrafen sind unter Umständen erlaubt, sofern sie für den Job relevant sind. So darf sich der Chef bei einem Busfahrer beispielsweise nach Verkehrs- und bei einem Banker nach Vermögensstraftaten erkundigen.
Problematisch sind Krankheitsauskünfte. Schließlich handelt es sich um sensible Daten. „Schon nach Diabetes zu fragen, wie es in einigen Unternehmen üblich ist, halte ich für unzulässig“, sagt Anwältin Sottorf. Auch eine möglicherweise ansteckende Krankheit rechtfertige das Aushorchen nicht. Etwas anderes hingegen sei es, wenn der Mitarbeiter wegen einer bestimmten Erkrankung für den Job ungeeignet ist oder beispielsweise Kunden ernsthaft gefährdet werden. Ob eventuell Allergien auf Chemikalien bestehen müssen Friseure also preisgeben, vorausgesetzt, die Allergien sind gravierend.
Keinem ist freilich geholfen, wenn er die Aussage auf eine unzulässige Frage verweigert. Das vermiest womöglich die Chance auf den Job. Bewerber dürfen in diesem Fall großzügig mit der Wahrheit sein, denn der Gesetzgeber hat ihnen das Recht zur Lüge eingeräumt. Juristin Sottorf macht es schon einmal vor: „Will der Chef wissen, ob eine Schwangerschaft besteht oder geplant ist, kann man einfach behaupten, man hätte niemals vor, Kinder zu bekommen und würde die kleinen Bälger eh nur lästig finden“, improvisiert sie. Fliegt der Schwindel auf, dürfen Angestellte deswegen nicht gekündigt werden.
Verlangt der Vorgesetzte hingegen ungerechtfertigt eine Blutprobe, ist es nicht so einfach, sich aus der Affäre zu ziehen. Wer nicht zustimmt, bekommt die Stelle vielleicht nicht. „Als Bewerber hat man eigentlich keine andere Wahl, als der Blutentnahme zuzustimmen, auch wenn das nicht erlaubt ist“, so Sottorf.