„Man kann Wählerstimmen nicht kaufen“

Parteienfinanzierung

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Von Wolfgang Mulke

19. Mär. 2010 –

Die rote Fahne auf dem Dach des schmucken Neubaus im Berliner Bezirk Kreuzberg weist Besuchern den Weg zur Parteizentrale der SPD. Der Standort ist fast ein Symbol für den Zustand der Partei. Ein paar Hundert Meter weiter nördlich tummelt sich die politische und gesellschaftliche Elite im schicken Bezirk Mitte. Nicht viel weiter weg in anderer Richtung rechnen viele Familien eher mit Cent als mit Euro. Dazwischen residieren die Sozialdemokraten. Von ihrem Fenster in der vierten Etage des Willy-Brandt-Hauses aus schaut Barbara Hendricks auf die ärmere Seite. Die Schatzmeisterin der SPD sitzt in einem nüchtern eingerichteten Büro, in dem moderne Kunst die Farbtupfer setzt und ständig die neuesten Nachrichten über den Bildschirm des Fernsehers in der Ecke laufen.

 

Die 57-jährige Politikerin aus Kleve muss beide Seiten im Blick behalten. Bundespolitisch muss die Partei kampfstark bleiben und über genügend Geld für Wahlkämpfe und Kampagne verfügen. Im Beritt der kleinen Leute wird die Parteiarbeit finanziert, von Flyern über Infostände bis hin zur regionalen Veranstaltung. Als Staatssekretärin im Finanzministerium hat Hendricks gezeigt, dass sie mit Zahlen umgehen kann. Das ist im Unternehmen Partei auch nötig. 2008 nahmen die Sozialdemokraten 167 Millionen Euro ein, soviel wie ein größeres, mittelständisches Industrieunternehmen.

 

In den letzten Jahrzehnten ist die Parteienfinanzierung immer wieder ins Gerede gekommen, zuletzt, als die CDU Firmen gegen Geld Gesprächszeit mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers anbot. „Das hat mit Sponsoring nichts zu tun“, ärgert sich Hendricks. Denn der daraus entstehende Imageverlust trifft alle Parteien. Es gab schon weitaus gravierendere Verstöße gegen die Etikette. Wie in einem schlechten Krimi nahm zum Beispiel der frühere CDU-Schatzmeister Walter Leisler-Kiep einen Koffer voll mit Geldscheinen des einstigen Waffen-Lobbyisten Karlheinz Schreiber konspirativ entgegen. In den siebziger Jahren speiste der Industriemagnat Flick alle Bundestagparteien mit Millionenzuwendungen aus schwarzen Kassen.

 

Vor allem diese großen Affären haben das Vertrauen in die Parteien und ihre Unabhängigkeit von der Wirtschaft in Frage gestellt. Gegen die pauschale Kritik wehrt sich Hendricks. „Wir sind nicht käuflich“, stellt die Bundestagsabgeordnete klar. Von Spenden und Sponsoren lasse sich die SPD nicht beeinflussen. Tatsächlich ist der Anteil von Firmenspenden am Etat mit 2,7 Millionen Euro im Jahr 2008 gegenüber den wichtigsten Einnahmequellen gering. 46 Millionen brachten Mitgliedsbeiträge ein, gut 43 Millionen staatliche Zuschüsse. 22 Millionen Euro führten Abgeordnete und andere Mandatsträger an die Partei ab und fast ebenso viel brachten die Beteiligungen und Vermögenswerte der SPD ein.

 

Entsprechend vielseitig ist auch das Arbeitsgebiet der Schatzmeisterin. „Spenden werben ist nicht meine Hauptaufgabe“, sagt Hendricks. Einmal jährlich schreibt die Politikerin Unternehmen an und bittet um Unterstützung. Ansonsten kümmert sich eine Halbtagskraft um Gaben für die Bundespartei. Hendricks kümmert sich eher darum, dass es bei den Beteiligungen der SPD gut läuft. Die Partei ist einer der großen Medienkonzerne, der Anteile an einem guten Dutzend Tageszeitungen und einigen Druckhäusern hält. Fast zwölf Millionen Euro bringt das Unternehmen SPD der Schatzmeisterin im Jahr ein. Ins operative Geschäft mischt sich die Partei nicht ein. Kritiker vermuten aber, dass die Partei die Medien schon einmal vor ihren Karren spannt.

 

Die eigene wirtschaftliche Tätigkeit unterscheidet die SPD von den anderen Bundestagsparteien. Bei der CDU spielen Spender und Sponsoren zum Beispiel eine deutlich größere Rolle. Die Christdemokraten haben 2008 148 Millionen Euro eingenommen. Sieben Millionen Euro ließ die Wirtschaft springen, 13,5 Millionen Euro spendeten Privatpersonen. Auch das Sponsoring wird eine immer wichtigere Geldquelle. Allerdings wird dieses Aufkommen nicht aufgeschlüsselt. In der vom Bundestag veröffentlichten Liste der Großspenden liegt die CDU weit vorne. Doch auch hier bringen Mitglieder und Staat mit zusammen 84 Millionen Euro den größten Teil des Etats auf. FDP und CSU erfreuen sich ebenfalls zahlungskräftiger Spender. Nur die Grünen und die Linke gehen fast leer aus.

 

Die hohen staatlichen Zuschüsse erklären sich aus dem Auftrag des Grundgesetzes an die Parteien. So sollen die politische Bildung und Meinungsbildung befördern. So erhalten sie für jede bei Wahlen abgegebene Stimme einen kleinen Betrag. Für die ersten vier Millionen Stimmen gibt es 85 Cent, für jede weitere 70 Cent. Allerdings muss ein Stimmanteil von 0,5 Prozent bei bundesweiten Wahlen oder einem Prozent bei Landtagswahlen überschritten werden. Das lausige Wahlergebnis bei der Bundestagswahl macht der SPD daher schwer zu schaffen. 3,5 Millionen Euro weniger gab es dafür. Diese Summe muss Hendricks irgendwo einsparen.

 

Wie wichtig eine gute finanzielle Ausstattung ist, lässt sich nicht recht nachweisen. „Man kann Wählerstimmen nicht kaufen“, erläutert die Schatzmeisterin. Wohl aber lässt sich die öffentliche Meinung mit Kampagnen beeinflussen. Auch deshalb gibt es viele Kritiker des heutigen Systems der Parteienfinanzierung. Dazu gehört zum Beispiel die Organisation LobbyControl. „So große Geldsummen fließen nicht aus Wohltätigkeitsgrünen“, glaubt Geschäftsführerin Heidi Klein. Die Gesetzgebung werde wohl nicht direkt beeinflusst, doch die Pflege der politischen Landschaft zahle sich aus. Deshalb fordern die Kritiker mehr Transparenz. Spenden und Sponsoreneinnahmen sollen gedeckelt und das Aufkommen durch eine unabhängige Kommission kontrolliert werden.

 

Noch weiter geht der frühere baden-württembergische Wirtschaftsminister Dieter Spöri, der auch in der SPD ist. Er fordert ein absolutes Verbot für Firmenspenden und Sponsoring, damit erst gar nicht der Anschein von Käuflichkeit erweckt wird. Der Politiker glaubt nicht, dass die politische Arbeit darunter leiden muss. Dies würden allein die Wahlkämpfe zeigen. „Je mehr der Aufwand für Parteiapparate und Werbebudgets gestiegen ist, desto unterschiedloser wurden die Positionen der Parteien

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