• Ulrike Höfken, MdB Die Grünen

„Man muss die Entwicklung stoppen!“

Angst vor dem Biomonopol

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Von Wolfgang Mulke

28. Jun. 2010 –

Patente auf Schnitzel oder Broccoli sorgen auch Politiker wie die Grüne Bundestagsabgeordnete Ulrike Höfken. Die 55-jährige Agrarexpertin aus Rheinland Pfalz ist von Hause aus selbst Tierzüchterin. Frau Höfken ist verheirat und hat drei Kinder.

 

Frage: Sind Patente auf Tiere ethisch überhaupt vertretbar?

 

Ulrike Höfken: Das ist in keiner Hinsicht vertretbar. Die Würde des Tieres wird außer Kraft gesetzt.  Patente laufen auf eine Privatisierung des Lebens heraus. Auch deshalb ist der Widerstand dagegen in den Kirchen besonders groß. Auch helfen Patente nicht, wie von der Industrie behauptet, gegen den Hunger auf der Welt. Das Gegenteil ist der Fall. Kleinbauern in armen Ländern können sich die patentierten Saaten gar nicht leisten.

 

Frage: Grüne und SPD wollen das Recht auf Biopatente ebenso wie die CSU einschränken. In dieser Woche werden die Forderungen im Bundestag debattiert. Was wollen Sie erreichen?

 

Höfken: 2. Einzelne Tierrassen und Pflanzenarten dürfen laut Gesetz eigentlich nicht patentiert werden,  aber im nächsten Absatz dieses Gesetzes steht dann faktisch das Gegenteil.  Anders gesagt: Orangen dürfen nicht patentiert werden, die Südfrüchte aber schon. Wir wollen keine Patente auf Lebewesen. Heute werden von Konzernen nicht nur gentechnische, sondern ganz normale Zuchtverfahren genutzt, um z.B. 260 000 Genvarianten der Kühe zum Patent anzumelden. Das ist eine faktische Enteignung von Bauern und Verbrauchern. Patentanmeldung müssen auf konkrete Anwendungsfunktionen beschränkt werden, sie dürfen nicht mehr die Nachkommen oder die gesamte Produktpalette erfassen, z.B. von der Kuh über die Milch bis zum Joghurt.  Hier muss das derzeit widersprüchliche Patentrecht klarer formuliert werden, damit Rechtssicherheit geschaffen wird.

 

Frage: Wo sehen Sie denn Gefahren bei der derzeitigen Praxis?

 

Höfken: Es gibt bereits Hunderte von Patente und Patentanmeldungen auf Pflanzen und Tiere. Das reicht von Inhaltsstoffen bei Pflanzen über die Resistenz auf Stressfaktoren bis hin zu besonders großwüchsigen Pflanzen – dabei haben die Konzerne diese Eigenschaften nicht etwa erfunden, sondern bloß mittels einer technischen Verfahrens erfasst.

Wenn es so weiter geht, führt dies zu einer Monopolisierung der Nahrungsmittelproduktion bis in den Supermarkt. Das lässt sich in Kanada bereits beobachten. Dort gibt es bei Raps nur noch das Saatgut vom Konzern Monsanto. Der Genraps kreuzt sich dann auch noch natürlich aus. So landen die Gene dann auch unkontrolliert in Radieschen oder Broccoli. Monsanto kann schließlich auf von den Broccoli- und Radieschen-Bauern Lizenzgebühren verlangen, weil das Gen patentiert ist. Man muss diese Entwicklung stoppen.

 

Frage: Sind auch die Verbraucher von dieser Industriemacht betroffen?

 

Höfken: Am Ende schon. Durch die Monopole beim Saatgut verteuern sich die Saaten und damit auch die Herstellung von Lebensmitteln. Der Nachbau der Pflanzen oder die freie Zucht und Verwendung von Kälbern und Ferkeln durch die Bauern oder andere Wettbewerber ist nicht erlaubt. Der bisherige Sortenschutz ist ausreichend, um die Zuchtarbeit zu bezahlen, das „geistige Eigentum „ zu schützen und gleichzeitig ein vielfältiges Angebot zu ermöglichen. 

 

Wenn es Monopole gibt, erreichen die steigenden Preise am Ende auch den Kunden im Supermarkt. Ein weitreichendes Patentrecht, wie wir es jetzt praktisch haben, birgt diese Gefahr.

 

Frage: Die Industrie verweist auf die hohen Investitionskosten bei der Entwicklung neuer Pflanzenmerkmale und die Bedeutung für die Welternährung. Ohne Schutzrechte würde sich dieser Einsatz nicht lohnen. Ist das nicht ein gutes Argument?

 

Höfken: Das Gegenteil ist der Fall. Innovation und Forschung werden eingeschränkt, die normale Tier – und Pflanzenzucht wird durch einen „Erlaubnisvorbehalt“  und Lizenzgebühren erheblich behindert, unrentabel und faktisch unmöglich gemacht. Und die Einspruchsverfahren gegen bereits erteilte Patente sind ungerecht und teuer für diejenigen, die dagegen klagen. Das hat auch der wissenschaftliche Beirat des Bundes-Wirtschaftsministeriums schon 2007 festgestellt. Eingeschränkt wird vor allem auch die Risikoforschung. Die Konzerne können Einfluss auf Versuchsdesigns und auf die Ergebnisse nehmen. So wird am Ende auch die Lebensmittelsicherheit unkontrollierbar.

 

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