„Marode Banken abwickeln“

Jochen Sanio, Deutschlands oberster Bankenaufseher, will Finanzinstitute im Krisenfall liquidieren und die Kosten den Eigentümern aufbürden. Deshalb schlägt er vor, eine neue Abwicklungsbehörde zu gründen

Teilen!

Von Hannes Koch

19. Feb. 2010 –

Endlich wirksame Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise der Jahre 2008 und 2009 zu ziehen, fordert Jochen Sanio, der Chef der deutschen Bankenaufsicht. „Die Sofortmaßnahmen zur Reparatur des Finanzsystems sind weitgehend erledigt. Jetzt geht es um grundlegende Änderungen, die das System auf eine stabilere Basis stellen“, sagt Sanio gegenüber der taz. Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) schlägt vor, eine neue Behörde zu gründen, um marode Banken abzuwickeln, so dass diese nicht das komplette Finanzsystem gefährden.


„Die Abwicklung eines großen Finanzunternehmens wird sich über viele Jahre erstrecken. Sie muss von einer besonderen staatlichen Abwicklungsbehörde betrieben werden“, so Sanio. „Diese sollte – mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet – für eine schonende Liquidation des betroffenen Instituts sorgen“.


Damit spricht sich erstmals ein führender Bankenaufseher dafür aus, die während der Finanzkrise geschaffenen Institutionen wie den Bankenrettungsfonds Soffin zu verewigen und nicht möglichst schnell zu beerdigen. Um notleidende Institute zu liquidieren, will Sanio die bestehenden Instrumente zudem verschärfen. Würde der Vorschlag realisiert, würde die Abwicklungsanstalt auch die bisherigen Krisenopfer wie die Münchner Bank HRE und die WestLB verwalten.


Sanio sucht eine Lösung, um das Problem zu mildern, das Fachleute mit der Formulierung „to big to fail“ beschreiben. „Dieses Dogma besagt, dass systemrelevante Banken um jeden Preis gerettet werden müssen. Das Wort `jeden` ist leider ganz wörtlich zu nehmen, was die Steuerzahler gerade schmerzlich erfahren haben“, so Sanio.


Nach dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers im September 2008 sind die Regierungen mit Billionen Euro in die Bresche gesprungen, um weitere Pleiten zu verhindern. Das hat funktioniert, jedoch gezeigt: Die Staaten sind Geiseln der Banken. Die Regierungen, letztlich die Steuerzahler, haften mit gigantischen Summen für private Verluste, und die Bankvorstände können sich auf das staatliche Auffangnetz verlassen. Sanio: „Die Bürger werden aber nicht noch einmal bereit sein, eine große Runde der Bankenrettung zu finanzieren“.


Um den Staat aus der Geiselsituation zu befreien, schlägt Sanio nur vor, die neue Abwicklungsbehörde zu gründen. Diese sollte jederzeit marode Banken übernehmen, aufteilen und abwickeln können. „Jede Bank, die nicht mehr lebensfähig ist, muss pleite gehen können – und sei sie noch so groß“, sagt der BaFin-Chef. „Wir müssen aber dafür sorgen, dass sie nicht anderen Finanzunternehmen das Licht ausbläst, wenn sie ihr Leben aushaucht. Dazu bedarf es - außerhalb einer herkömmlichen Insolvenz – eines besonderen Abwicklungsregimes, das solche schlimmen Sekundäreffekte verhindert.“


Leo Dautzenberg, der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, hat unlängst ähnliche Ideen formuliert. Die Koalition aus Union und FDP überlegt gegenwärtig, wie ein neues Insolvenzrecht für systemrelevante Institute aussehen könnte.


Eine Frage dabei ist auch, woher später das Geld für solche Rettungsaktionen kommen soll. Vor allem will Sanio die Aktionäre und Beteiligten heranziehen. „Bluten müssen die Eigentümer, die vor allen anderen in der Pflicht stehen, und die sonstigen Risikokapitalgeber, danach auch noch die restlichen Gläubiger – vor allem die unbesicherten. Sie alle müssen bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen werden.“


Allerdings befürchtet der BaFin-Chef, dass die Mittel des jeweiligen Instituts nicht ausreichen, um sämtliche Kosten abzudecken. „Weil man am Ende der Abwicklung wahrscheinlich noch immer ein Loch stopfen muss, sollten wir gut dotierte Sicherungsfonds schaffen, deren Mittel sich aus Beiträgen der Banken speisen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die letzte Rechnung nicht doch wieder beim Steuerzahler landet. Leider gibt es einen Haken: In der Krise sind die erforderlichen hohe Einzahlungen schwer vorstellbar.“


Der BaFin-Chef ist skeptisch, weil sich die wichtigsten Wirtschaftsnationen der G20-Gruppe ohnehin schon darauf geeinigt haben, den Banken höhere Anforderungen beim Eigenkapital aufzuerlegen. Die Institute sollen künftig mehr eigenes Geld in Reserve halten, um Verluste in größerem Umfang selbst aufzufangen. Dies reduziert den Gewinn – und verringert ihre Kraft, zusätzlich einen Sicherungsfonds zu füllen.

« Zurück | Nachrichten »