Mehr als ein Kreisverkehr des Geldes

Analyse: Was bewirkt das neue Kreditpaket in Griechenland?

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Von Hannes Koch

19. Aug. 2015 –

Bevor der Bundestag dem neuen Kreditpaket für Griechenland am Mittwoch zustimmte, brachte Linkspolitiker Gregor Gysi die Kritik daran auf den Punkt. Der erste Redner der Opposition bemängelte, der Geldsegen werde die Lage des Mittelmeerlandes nicht grundsätzlich bessern. Denn die Milliarden Euro aus Europa kämen nicht bei den griechischen Unternehmen und Bürgern an. Dieses Argument allerdings ist zu pauschal und teilweise falsch.

 

Was hat der Bundestag beschlossen? Bis August 2018 sollen 86 Milliarden Euro als neue Kredite nach Griechenland fließen. Etwa 54 Milliarden davon dienen dazu, dass die Regierung in Athen die Zinsen und Tilgung für alte Schulden bezahlen kann. Weitere acht Milliarden Euro sind gedacht, um neue Reserven zu bilden, sieben Milliarden, um ausstehende Rechnungen zu begleichen, und 25 Milliarden sollen verhindern, dass Banken pleitegehen. Damit braucht Griechenland zwar insgesamt 94 Milliarden. Acht Milliarden will Athen aber selbst erwirtschaften. Bleibt unter dem Strich ein rechnerischer Finanzbedarf von 86 Milliarden Euro.

 

Tatsächlich dient der größte Teil dieser Hilfen (54 Milliarden) dazu, alte Verbindlichkeiten auszugleichen. Es handelt sich um einen Kredit-Kreisverkehr: neue Schulden bezahlen alte Schulden. Die Bürger und Unternehmen bekommen davon nichts. Trotzdem ist der indirekte Vorteil für sie groß. Denn Athen geht nicht pleite. Der Staat kann seine Dienstleistungen aufrechterhalten, so rudimentär sie auch sein mögen. Alles andere wäre eine soziale und ökonomische Katastrophe.

 

Was die 25 Milliarden Euro für die Banken betrifft, so halten diese die Institute am Leben. Die sind damit wieder in der Lage, Kredite an Bürger und Unternehmen zu geben und den Zahlungsverkehr zu gewährleisten. Ohne solche Dienstleistungen funktioniert eine moderne Wirtschaft nicht. Millionen Arbeitsplätze hängen davon ab. Der Vorteil für die normalen Griechen ist kaum zu überschätzen.

 

Ähnlich verhält es sich mit den sieben Milliarden Euro, mit denen der Staat seine Zahlungsrückstände aufholen soll. In den vergangenen Monaten haben die Behörden Rechnungen an Baufirmen nicht bezahlt, oder Beamte erhielten keine Gehälter. Nun kommt das Geld wieder bei den Leuten an.

 

Trotzdem bleiben Zweifel an der Wirksamkeit des dritten Kreditpakets. Denn es ist fraglich, ob es zu einem Wirtschaftsaufschwung beiträgt. Beispielsweise niedrigere Renten und eine höhere Mehrwertsteuer führen dazu, dass die Bürger weniger Geld ausgeben – das Gegenteil dessen, was nötig wäre.

 

Und auch die so genannte Schuldentragfähigkeit ist ein Problem. Bald werden die griechischen Staatsschulden die doppelte Höhe der jährlichen Wirtschaftsleistung erreichen. Wenn es schlecht läuft, muss Griechenland künftig 15 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für den Schuldendienst ausgeben. Solche Belastungen erdrücken den Staat. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die entsprechende Ziffer gegenwärtig im niedrigen einstelligen Bereich.

 

Deshalb ist selbst der Internationale Währungsfonds skeptisch, ob das Programm funktionieren kann. Der Bundestag hat am Mittwoch vermutlich nicht zum letzten Mal über Griechenland debattiert.

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