Mehr Beschäftigung in Bildung und Pflege
Trotz der Wirtschaftskrise nimmt die Beschäftigung in den Sozialbranchen zu. Aber auch das produzierende Gewerbe erholt sich: 3,7 Prozent Produktionszuwachs im Mai
08. Jul. 2009 –
Die Wirtschaftskrise hat merkwürdige Seiten. Im Alltag vieler Deutscher kommt sie nicht richtig an. Zudem mehren sich bereits die guten Nachrichten, die Optimismus aufkeimen lassen. So verzeichnet die Bundesagentur für Arbeit in einigen Branchen eine deutlich höhere Nachfrage nach Arbeitskräften. Diese positive Entwicklung macht sich in drei Bereichen merkbar: Erziehung und Unterricht, Gesundheit und Soziales, sowie dem Gaststättengewerbe.
In den drei Dienstleistungsbranchen liegt die Zahl der Arbeitskräfte nicht nur erheblich über dem Vorjahr, sondern auch über dem Durchschnitt der anderen Wirtschaftsbereiche. Im April 2009 boten öffentliche und private Bildungseinrichtungen 3,7 Prozent mehr sozialversicherungspflichtige Stellen an als ein Jahr zuvor, errechnete die Bundesagentur. In der Gesundheits- und Sozialbranche betrug der Zuwachs gegenüber April 2008 3,6 Prozent, im Gaststättengewerbe 3,5 Prozent. Zum Vergleich: Im Durchschnitt beschäftigte die deutsche Wirtschaft im April 0,3 Prozent mehr sozialversicherungspflichte Arbeiter und Angestellte als im Vorjahresmonat.
Die Gründe für das Wachstum der Beschäftigung sind unterschiedlich. Im Bildungsbereich ersetzen die Bundesländer Pädagogen, die die Altersgrenze erreicht haben. Fast jeder zweite Lehrer in Deutschland ist über 50 Jahre alt und geht bis 2015 in Pension. Manche Länder wie etwa Hessen stellten aber auch zusätzliche Lehrer und Lehrerinnen ein, heißt es beim Verband Bildung und Erziehung (VBE). Hinzu komme ein größerer Bedarf an Pädagogen mit Spezialausbildung, um soziale und familiäre Probleme von Schülern zu bearbeiten. Außerdem steigt die Zahl der Privatschulen, besonders die der privaten Grundschulen. Auch deshalb finden ausgebildete Lehrer heute relativ leicht eine Stelle.
Im Gesundheits- und Sozialbereich macht sich die Alterung der Gesellschaft bemerkbar. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen steigt. Deshalb nehme auch die Zahl der Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste zu, sagt Imme Lanz, Geschäftsführerin des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege. Die Einrichtungen haben einen entsprechend höheren Bedarf an Personal.
Der Aufbau von Beschäftigung in diesen Dienstleistungsbranchen wird von der Wirtschaftskrise nicht beeinträchtigt. Er ist relativ „konjunkturunabhängig“, wie die Experten sagen. Schüler werden ausgebildet und alte Menschen gepflegt, auch wenn die allgemeine Wirtschaftsentwicklung sich verlangsamt. Angesichts der Krise tritt der Beschäftigungszuwachs in den Sozialbranchen aber relativ deutlicher zutage. Im produzierenden, exportorientierten Gewerbe stagniert die Beschäftigung dagegen, oder sie droht zu sinken.
Von diesen langfristigen Trends abgesehen, gibt es aber auch aktuelle positive Zeichen, die auf ein Ende der Wirtschaftskrise hindeuten könnten. So ist die Erzeugung im produzierenden Gewerbe im Mai preis- und saisonbereinigt um 3,7 Prozent gestiegen, meldete das Bundeswirtschaftsministerium am Mittwoch. Die Industrieproduktion stieg um 5,1 Prozent. Besonders Hersteller von Maschinen und anderen Investitionsgütern profitierten. Der zurückliegende Einbruch, der jetzt teilweise wieder aufgeholt wird, war allerdings heftig. Wegen der Krise lag die Industrieproduktion im April/ Mai um 22 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Am Dienstag bereits hatte das Wirtschaftsministerium überraschend stark steigende Auftragseingänge in der Industrie gemeldet.
Bei der Bundesagentur für Arbeit geht man von einer gegenläufigen Entwicklung im Sommer und Herbst diesen Jahres aus. So werde es einerseits zu einer Erholung in weiteren Branchen kommen. Im Baugewerbe machten sich dann die Konjunkturprogramme der Bundesregierung bemerkbar. Deshalb sei mit einem höheren Bedarf an Bauarbeitern zu rechnen. Andererseits werde aber die Erwerbslosigkeit insgesamt deutlich ansteigen, weil in vielen Firmen die Kurzarbeiterregelungen ausliefen, die bisher Entlassungen verhindert hätten.