Mehr Elektroautos dank Kaufprämie

Mit bis zu 5.000 Euro will die Regierung Erwerber von E-Fahrzeugen belohnen.

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Von Hannes Koch

26. Apr. 2016 –

Um der deutschen Autoindustrie auf die Sprünge zu helfen, soll künftig eine Kaufprämie erhalten, wer ein Elektroauto erwirbt. Das zeichnete sich vor dem Treffen der Bundesregierung mit der Fahrzeugherstellern am Dienstagabend im Bundeskanzleramt ab. Außerdem sind unter anderem Steueranreize im Gespräch. Unsere Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen.

 

Wie soll die Förderung aussehen?

Käufer könnten bis zu 5.000 Euro beim Erwerb eines reinen Elektrofahrzeugs erhalten. Für Hybridautos mit kombiniertem elektrisch-konventionellem Antrieb waren bis zu 3.000 Euro in der Diskussion. Die genauen Einzelheiten wollten die Minister und Konzernvertreter am Abend besprechen. Außerdem könnten reine E-Autos zehn Jahre von der Kraftfahrzeugsteuer befreit werden. Wenn Beschäftigte ihren Elektro-Pkw am Arbeitsplatz aufladen, sollen sie dies nicht als geldwerten Vorteil versteuern müssen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will zusätzlich etwa 15.000 Stromtankstellen bauen lassen.

 

Was kostet das?

Aus dem Bundesfinanzministerium war zu hören, dass die Förderung bis 2020 befristet sein und in diesem Zeitraum eine Milliarde Euro aus dem Bundesbudget kosten solle. 100 Millionen Euro würden auf die Steuervorteile entfallen, 300 Millionen für die Ladesäulen zur Verfügung gestellt. 600 Millionen Euro würde Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in die Kaufprämien investieren. Etwa denselben Betrag müsste auch die Industrie beitragen. Für den Erwerbsbonus stünden damit 1,2 Milliarden Euro bereit – genug für 240.000 reine Elektrofahrzeuge.

 

Welche anderen Varianten zur Unterstützung der Elektromobilität gäbe es?

Zunächst kann man fragen, warum der Staat überhaupt den Kauf von Konsumgütern finanziell fördern soll – handelt es sich doch um das Privatvergnügen der Käufer. Unter anderem wegen dieser Überlegung gibt es erhebliche Kritik in der Unionsfraktion im Bundestag. Liegt die Herstellung bestimmter Produkte hingegen in öffentlichem Interesse, gäbe es billigere Möglichkeiten, die Industrie auf den rechten Weg zu bringen. Ein Beispiel: Scharfe Abgas-Grenzwerte können dazu beitragen, dass die Konzerne mehr Fahrzeuge mit null Emissionen fertigen und anbieten. Oliver Krischer, grüner Fraktionsvize im Bundestag, rät außerdem, nicht alle Steuerzahler für die E-Auto-Prämie heranzuziehen, sondern nur diejenigen, die Fahrzeuge mit besonders hohem Treibstoffverbrauch nutzen. Umweltverbände wie der BUND lehnen die Kaufprämie ab und fordern stattdessen mehr Geld für öffentliche Busse und Bahnen.

 

Warum will die Bundesregierung E-Autos überhaupt fördern?

Die Regierung hat Angst, dass die einheimische Industrie bei einem ihrer wichtigsten Produkte von der internationalen Entwicklung abgekoppelt wird. Viele Experten rechnen damit, dass in den kommenden Jahrzehnten ein Systemwechsel von ölgetriebenen zu elektrischen Fahrzeugen stattfindet. „2030 werden in Deutschland nur noch Fahrzeuge unterwegs sein, die im Betrieb zu 100 Prozent auf Basis regenerativer Energien angetrieben werden“, sagt beispielsweise Verkehrsforscher Andreas Knie. Heute allerdings fahren hierzulande weniger als 0,1 Prozent der Pkw elektrisch. Deutschland könnte seinen bisherigen Technologievorsprung gegenüber anderen Ländern verlieren. Gründe: Die Fahrzeuge sind pro Stück locker um 10.000 Euro teurer als Benziner, nach 150 Kilometern geht ihnen der Saft aus, und es gibt zu wenige Stromtankstellen. Die praktischen Nachteile für Autofahrer überwiegen einfach noch die Vorteile.

 

Gelingt es der Autoindustrie, den Staat um den Finger zu wickeln?

Knapp drei Millionen Beschäftigte in Deutschland arbeiten bei den Autoherstellern, ihren Dienstleistern und Zulieferern. Das ist etwa jede 14. Stelle der einheimischen Wirtschaft. Die Branche ist also ein ökonomischer Faktor erster Ordnung – und macht entsprechenden Einfluss geltend. Dabei zustatten kommt ihr auch, dass ehemalige Politiker für die Konzerne und ihre Verbände arbeiten. Der ehemalige CDU-Forschungsminister Matthias Wissmann leitet beispielsweise den Automobilverband VDA. Der frühere Kanzleramtsminister Eckart von Klaeden (CDU) ist Manager bei Daimler. Und Ex-Kanzler Gerhard Schröders (SPD) ehemaliger Regierungsprecher Thomas Steg kümmert sich um den Umweltschutz bei Volkswagen.

 

Welche E-Autos bieten deutsche Hersteller heute an?

Bisher nur eine kleine Zahl. Einige Beispiele: Bei BMW gibt es das Elektrofahrzeug i3, bei VW den E-Golf und E-Up, bei Daimler die B-Klasse und den Smart als Elektroauto. Die meisten der etwa 30 deutschen Elektrofahrzeug-Modelle fahren mit Hybridantrieb, die Verbrennungsmotor und Stromantrieb kombinieren.

 

Warum tut die Autoindustrie nicht selbst mehr, um die Fahrzeuge in den Markt zu bringen?

In den Vorständen herrschte wohl die Annahme, dass man noch mehr Zeit zur Entwicklung der neuen Technologie habe. Dies könnte eine Fehleinschätzung sein, wie die Verkaufserfolge des US-Autobauers Tesla zeigen. Zweitens geht es der deutschen Autoindustrie sehr gut. Ihre konventionellen Fahrzeuge sind weltweite Verkaufsschlager, die Gewinne sprudeln. Da erscheint ein Systemwechsel unnötig.

 

Sind die Bürger technikfeindlich und lehnen E-Fahrzeuge deshalb ab?

Nein, die Deutschen sind nicht überwiegend technikfeindlich. Die Skepsis breiter Bevölkerungsschichten richtet sich gegen einzelne Technologien wie Atomkraft oder genetisch veränderte Lebensmittel. In anderer Hinsicht machen sich die Bundesbürger kaum Sorgen über zuviel Technik: Sie kaufen gerne den neuesten Flachbildschirm und das modernste Smartphone. Sie lieben es, in 250 Kilometer pro Stunde schnellen Zügen zu reisen. Soziale Netzwerke im Internet sind breit akzeptiert. Ein Drittel der Elektrizität kommt mittlerweile aus erneuerbaren Energien. Unser Wohlstand basiert zum guten Teil auf dem Export von Hightech. All das wäre nicht möglich, würden die Bundesbürger technische Innovationen überwiegend oder mehrheitlich ablehnen.

 

Info-Kasten

Wie machen es andere Länder?

In den USA wurden ebenfalls Kaufprämien beschlossen. Der Preis eines E-Fahrzeugs sinkt dadurch von beispielsweise 37.000 auf etwa 30.000 US-Dollar .Wer in Großbritannien ein Elektroauto kauft, kann seit 2011 über 6.000 Euro vom Staat als Zuschuss bekommen. Die französische Regierung steuert seit April vergangenen Jahres 10.000 Euro zum Kaufpreis eines vollelektrischen Vehikels bei. Und in Norwegen entfällt beim Erwerb eines Elektrofahrzeuges die Mehrwertsteuer. Zudem muss man keine Kfz-Steuer und Abgasabgaben entrichten.

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