„Mehr Flexibilität bei Maastricht“
Anleihekaufprogramm der EZB reiche nicht aus, sagt Ökonom Behravesh beim WEF in Davos
22. Jan. 2015 –
Hannes Koch: Halten Sie das Anleihekaufprogramm, das die EZB am Donnerstag verkündet hat, für eine gute Entscheidung?
Nariman Behravesh: Ja. Die USA, Großbritannien, Kanada und Japan haben solche Programme ebenfalls aufgelegt. Sie sind gut damit gefahren und haben ein höheres Wirtschaftswachstum ausgelöst als der Euroraum.
Koch: Wie wirken solche Maßnahmen genau?
Behravesh: Wenn die Notenbanken den privaten Banken Anleihen und andere Wertpapiere zu günstigen Konditionen abkaufen, verfügen letztere über mehr Geld. Damit können sie zwei Dinge tun: Erstens haben sie etwas mehr Zeit, um ihre Bilanzen zu reparieren und faule Kredite auszugleichen. Zweitens werden sie vermutlich mehr Kredite an Bürger und Unternehmen ausgeben, was die wirtschaftliche Dynamik steigert und Arbeitsplätze schafft.
Koch: EZB-Präsident Mario Draghi hat angekündigt, bis September 2016 jeden Monat Staats- und Privatanleihen im Wert von 60 Milliarden Euro zu kaufen. Halten Sie das für ausreichend?
Behravesh: Das Gesamtvolumen von gut einer Billion Euro liegt in der richtigen Größenordnung. Etwa um diese Summe ist die ja Bilanz der Europäischen Zentralbank in den vergangenen zwei Jahren geschrumpft. Alles andere wäre zu konservativ und würde die Geldmenge nicht so steigern, wie es nötig ist.
Koch: Aber das erfolgreiche Anleihekauf-Programm in den USA war unbegrenzt.
Behravesh: Richtig. Ob die EZB mit ihrem begrenzten Programm die deflationäre Tendenz stoppt, müssen wir abwarten.
Koch: Sollten die EU-Kommission und die nationalen Regierungen das Programm nun durch weitere Maßnahmen unterstützen?
Behravesh: Sie sollten etwas mehr Flexibilität bei den Maastricht-Zielen walten lassen. Verschuldete Euro-Staaten hätten dann zusätzliche Zeit, um ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Auch dadurch würden mehr Mittel zur Verfügung stehen, um etwas für das Wachstum zu tun.
Koch: Ist es nötig, ein zusätzliches europäisches Investitionsprogramm aufzulegen?
Behravesh: Nein, die EU plant bereits, Investitionen mit rund 300 Milliarden Euro anzuschieben. Das sollte reichen. Die USA und Großbritannien haben ihre Anleihekauf-Programme ebenfalls nicht mit großen zusätzlichen Investitionsprogrammen kombiniert. Trotzdem haben sie gewirkt.
Koch: Wie ist die Stimmung zum Programm hier in Davos?
Behravesh: Die meisten Leute befürworten den Plan der Europäischen Zentralbank grundsätzlich. In der Kritik daran stehen die Deutschen zusammen mit den Niederländern und einigen anderen Regierungen ziemlich alleine da.
Nariman Behravesh ist Chefökonom der Wirtschaftsanalyse-Firma IHS aus Colorado/USA.