Mehr Steuern, weiter Schulden
Das Füllhorn arbeitet wieder: Schäuble & Co. erhalten sechs Milliarden Euro Steuern mehr. Was tun damit?
31. Okt. 2012 –
Diese Frage würde sich jede Regierung gerne stellen. Was machen wir mit dem zusätzlichen Geld, das wir einnehmen? Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und viele seiner Kollegen in den Bundesländern und Kommunen sind in einer Luxussituation: 2012 erhalten sie knapp sechs Milliarden Euro mehr als bei der vergangenen Steuerschätzung im Mai prognostiziert. Die gute Nachricht heizt nun die Debatte an: Sparen oder Steuern senken?
2012 überschreiten die deutschen Steuereinnahmen erstmals die Grenze von 600 Milliarden Euro pro Jahr. Bund, Länder und Gemeinden werden 602 Milliarden Euro verbuchen, haben die Experten des Arbeitskreises Steuerschätzung am Mittwoch bekanntgegeben. 256 Milliarden davon vereinnahmt der Bund (plus vier Milliarden). Die Länder bekommen 237 Milliarden Euro (plus 2,6 Milliarden), die Städte und Gemeinden 81 Milliarden (plus 0,8), die EU 28 Milliarden.
In den Jahren ab 2013 werden die Steuerschätzer dann aber vermutlich keine neuen Zuwächse ihrer Prognosen im Vergleich zur jeweils vorhergehenden Schätzung mehr verkünden können. Hier macht sich die abflauende Wirtschaftsentwicklung bemerkbar. Die deutsche Wirtschaftsleistung steigt dann vorläufig nur noch wenig.
Trotzdem wachsen die absoluten Steuereinnahmen weiter. 2013 sollen sie 618 Milliarden erreichen, 2014 immerhin 642 Milliarden. Das hat damit zu tun, dass auch leichtes Wirtschaftswachstum zusätzliche Gewinne und Löhne bedeutet. Davon beansprucht der Staat seinen Anteil. Hinzu kommt die so genannte kalte Progression. Auch wegen der leichten Inflation steigen die nominalen Löhne. Die daraus erwachsenden höheren Steuereinnahmen streichen die Finanzminister gerne ein, obwohl die Beschäftigten durch die Geldentwertung einen teilweisen Kaufkraftverlust erleiden.
Angesichts der höheren Einnahmen forderte CSU-Politiker Hans Michelbach SPD, Grüne und Linke am Mittwoch auf, ihre Blockade einer Steuersenkung im Bundesrat zu beenden. Unter anderem als Gegenmittel gegen die kalte Progression will die Koalition aus Union und FDP den Grundfreibetrag anheben und die Steuerprogression auch für höhere Einkommen abmildern. Das würde den Bürgern insgesamt rund sechs Milliarden Euro erlassen, die sie gegenwärtig an die Finanzämter zahlen. Die Opposition plädiert jedoch dafür, die Steuer für gute und hohe Einkünfte nicht zu senken, sondern zu erhöhen.
Ein Teil der geplanten Steuerreform der Koalition kommt aber in jedem Fall. Wegen der steigenden Lebenshaltungskosten muss sie das Existenzminimum und damit auch den Grundfreibetrag anheben. Heute liegt dieser bei 8.004 Euro. Bis 2014 soll er auf 8.352 Euro steigen. Für Durchschnittsverdiener liegt die Ersparnis dann in der Größenordnung von 20 Euro pro Jahr.
Trotz dieser absehbaren Ausgaben argumentierte FDP-Chef Philipp Rösler, dass Bundesfinanzminister Schäuble schon 2014 ohne neue Kredite im Bundeshaushalt auskommen könne. Auch SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider sah das so: „Trotz der erneuten Rekordeinnahmen macht der Finanzminister immer noch neue Schulden. Deshalb müssen die höheren Steuereinnahmen jetzt vollständig in den Schuldenabbau fließen.“ Die Grünen wollen die FDP beim Wort nehmen und verlangen, dass die Koalition einen Plan aufstellt, wie die Regierung einerseits auf zusätzliche Kredite verzichten und andererseits die Steuern senken kann.
Schäuble rechnet für das laufende Jahr bisher mit einer Neuverschuldung von 32 Milliarden Euro. Für 2013 plant er zusätzliche Kredite von 18,8 Milliarden, 2014 von 13,1 Milliarden und 2015 von 4,7 Milliarden ein. 2016 soll der Bundeshaushalt dann ausgeglichen sein. Das klingt gut, würde aber schon dadurch zunichte gemacht, dass sich Deutschland an einem Schuldenschnitt für Griechenland beteiligt. Dass es dazu kommt, ist eher unwahrscheinlich. Es würde den Bund aber bis zu 20 Milliarden Euro kosten.