Mehr Symbol als Reform
Kommentar zum Wachstumsgesetz von Hannes Koch
09. Nov. 2009 –
Erstaunlich schnell hat die neue Regierung am Montag ihr Gesetz für Steuererleichterungen vorgelegt. Nach den Wirrnissen der Koalitionsverhandlungen und der gegenseitigen Kritik der Koalitionäre dient das Tempo auch dazu, die Erwartungen der Wähler zu befriedigen. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist ein Zeichen, dass es die Koalition mit ihren Versprechen ernst meint. Viel mehr als ein Symbol verbirgt sich allerdings nicht hinter dem Vorhaben.
Denn die Tragweite des Vorhabens hält sich in Grenzen. Eine Steuerentlastung für Firmenerben in Höhe von 50 Millionen Euro jährlich begünstigt zwar mittelständische Unternehmen – auch solche, denen es ohnehin gut geht. Insofern mag man die kleine Reform als überflüssiges und sozialpolitisch fragwürdiges Geschenk kritisieren. Andererseits fällt die Verbesserung finanziell so bescheiden aus, dass sie wenig mehr ist als eine Demonstration des guten Willens an die Adresse der Firmeninhaber, von denen nicht wenige traditionell der Union und der FDP zuneigen.
Ähnliches gilt für die Ausdehnung der Verlustabschreibungen für Unternehmen, die deren Gewinn steigert. In den Augen der Wirtschaft beseitigt die neue Koalition damit ein Ärgernis, das das sozialdemokratische Bundesfinanzministerium ersonnen hatte - Ex-Finanzminister Peer Steinbrück versuchte, ein paar Steuerschlupflöcher zu stopfen. Aber auch dieses schwarz-gelbe Geschenk bringt den Unternehmen mit insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro keine große Erleichterung. In diesem Falle geht es ebenfalls vornehmlich darum, die gepeinigten Seelen zu salben.
Die Erhöhung des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes wiederum ist mit 4,6 Milliarden Euro pro Jahr zwar teuer, bewirkt aber ebenfalls nicht viel. Denn nicht nur die ärmeren Bevölkerungsschichten, die ihr Geld sofort ausgeben, profitieren davon, sondern auch die Wohlhabenden. Diese aber legen einen guten Teil der zusätzlichen Mittel auf die hohe Kante. Mit dieser Maßnahme – der umfangreichsten und teuersten im Paket – erzeugt das vollmundig „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ genannte Vorhaben deshalb wenig Wachstum.
Richtig wirksam werden dürfte nur die Senkung der Mehrwertsteuer für das Gaststättengewerbe. Hotels und Restaurants in den grenznahen Gebieten zu Österreich, der Schweiz und Frankreich werden davon profitieren, dass die niedrigere Umsatzsteuer ihnen einen neuen Konkurrenzvorteil verschafft.
Insgesamt aber nützt das Gesetz nicht viel. Freilich schadet es auch nicht besonders. Die Kosten von gut acht Milliarden Euro können die öffentlichen Haushalte noch so eben verschmerzen. Letztlich handelt es sich um Kleinkram. Wichtiger als Freude oder Ärger ist deshalb nun der Blick in die Zukunft. Denn mit ihrem Wachstumsgesetz haben die schwarz-gelben Koalitionäre den Fundus ihrer unproblematischen, finanzpolitischen Gemeinsamkeiten schon fast aufgezehrt. Alles, was jetzt kommt, wird nun schwierig und langwierig. Die Steuerstrukturreform, der Stufentarif und Schuldenbremse – die drei schrecklichen S – werden Union und FDP noch viel Freude bereiten. Der Honeymoon der neuen Koalition vergeht schneller, als mancher denkt.