Mehr Vision als Wirklichkeit

Auf einem Gipfel soll die Zukunft der Elektromobilität eingeleitet werden

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Von Wolfgang Mulke

30. Apr. 2010 –

Für sein vielleicht wichtigstes Produkt hat der nordrheinwestfälische Unternehmer Walter Mennekes eine einfache Nutzenbeschreibung zur Hand. „Eine 30-jährige Frau mit einem Kind im linken Arm und einer Einkaufstüte in der rechten Hand muss den Stecker leicht ziehen können“, erläutert der Spezialist für Steckdosen. Mit Starkstromverbindungen ist die gleichnamige Firma groß geworden. Nun sollen die Ladestationen für Elektroautos aus Kirchhundem Standard für die europäische Autoindustrie werden, wenn das Zeitalter der Elektroautos anbricht. Im Herbst will die EU über eine europäische Norm entscheiden. „Ich will nicht, dass E-Mobility wie das Handy ohne Norm bleibt“, sagt Mennekes und denkt mit Grausen an die Vielzahl der verschiedenen Standards beim mobilen Telefonieren.

 

Am kommenden Montag will Mennekes Kanzlerin Angela Merkel dafür gewinnen, sich für die deutsche Norm bei den Ladegeräten stark zu machen. Der Unternehmer wird neben den Chefs der großen Konzerne aus der Autobranche und der Stromwirtschaft zu einem Gipfeltreffen mit Merkel nach Berlin reisen. Die Bundesregierung will gemeinsam mit der Industrie die Chancen für die flächendeckende Einführung von Elektroautos diskutieren. In den kommenden Monaten wird dann eine „Nationale Plattform Elektromobilität“ weitere Schritte beraten. Das Ziel hat noch die letzte Bundesregierung vorgegeben. Bis zum Jahr 2020 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein.

 

An Visionen für das Zeitalter der E-Mobile mangelt es nicht. Beschworen wird der klimafreundliche Verkehr, wenn der Strom für die Autoflotten aus erneuerbaren Energie gewonnen wird. Beim Anlagenbauer Siemens können sich die Fachleute auch einen gewichtigen Beitrag der Fahrzeuge zur allgemeinen Stromversorgung vorstellen. So könnten die Autos nachts mit preiswertem Strom „betankt“ werden, den sie tagsüber gegen Entgelt im Parkhaus wieder teurer abgeben, sofern es einen Spitzenbedarf gibt. Die Phantasie für neue Geschäftschancen kennt fast keine Grenzen. Unternehmer wie Mennekes wollen das Land mit kleinen Ladestationen überziehen, damit die Elektroautos auch flächendeckend aufgeladen werden können. Infrastrukturunternehmen wie Siemens wollen vom Ausbau der Stromnetze profitieren. Die Energieriesen hoffen auf einen zusätzlichen Absatzmarkt, weil ihre nachts kaum gefragten Kapazitäten plötzlich gefragt wären. Doch die schöne neue Verkehrswelt existiert bisher fast nur auf dem Papier.

 

Die Industrie steht vor gewaltigen Problemen, die einem Massenmarkt für E-Mobile entgegenstehen. „Die Batterie ist die eigentliche Herausforderung“, stellt Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode fest, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt. Die heute verfügbaren Energiespeicher sind zu schwer, zu groß, zu teuer und nicht besonders leistungsstark. Zwischen 100 und 200 Kilometer können die zurzeit getesteten E-Autos fahren. Dann muss der Wagen an die Steckdose. Nicht einmal die Sicherheit ist immer gewährleistet. Die Batterien können explodieren. Das ist keine aussichtsreiche Basis für ein Massenprodukt. Schlimmer noch: Deutschland ist bei der Entwicklung der Batterien ins Hintertreffen geraten. China und Japan liegen hier vorne. Nun soll der Vorsprung aufgeholt werden. Dafür bilden Autokonzerne Allianzen mit den Batteriespezialisten. Daimler hat sich zum Beispiel mit Evonik zusammengetan, VW mit Toshiba und Sanyo.

 

Ein zweites riesiges Problem sind die benötigten E-Zapfsäulen. Experten gehen davon aus, dass es künftig verschiedene Wege gibt, an die Energie zu kommen. Am leichtesten lösbar sind Anschlüsse in der heimischen Garage oder auf dem Firmenparkplatz. Aber es werden zusätzlich öffentliche Stationen gebraucht, an denen die Autofahrer schnell gegen Gebühr ein paar Kilowattstunden abrufen können. Dafür müssten die Ladezeiten noch einmal deutlich verringert werden. Schließlich erfüllen sich die Erwartungen an das umweltfreundliche Fahren nur, wenn der im Verkehr verbrauchte Strom aus regenerativen Quellen stammt. „Elektroautos sind eben keine Null-Emissionsfahrzeuge, sondern beim jetzigen Strommix in Deutschland sogar schlechter als ein herkömmliches Auto“, kritisiert der Verkehrsexperte von Greenpeace, Wolfgang Lohbeck. Die Umweltverbände warnten vor dem Gipfel gemeinsam vor allzu hohen Erwartungen und verlangen stattdessen eine gezielte Förderung aller effizienten Antriebe und eine Strafsteuer für Spritfresser.

 

Selbst wenn all die technischen Probleme behoben werden, ist noch kein Massenmarkt in Sicht. Deutsche Hersteller haben noch nicht einmal ein Serienmodell entwickelt. Renault will als erster europäisches Unternehmen 2011 in die Ära Elektro starten. Die Asiaten sind da schon weiter. Und die noch viel zu hohen Preise lassen nicht auf eine Riesennachfrage hoffen. Zwischen 10.000 und 20.000 Euro mehr als ein vergleichbares Modell mit Verbrennungsmotor müssten die Kunden auf den Tisch blättern. Andere Länder subventionieren den Kauf daher kräftig. China legt 6.500 Euro für jedes Fahrzeug drauf, die USA 5.500 Euro und Frankreich 5.000 Euro. Die Grünen haben sich für eine ähnlich hohe Subvention in Deutschland ausgesprochen. Doch die Skeptiker sind in der Mehrheit. FDP und Union lehnen den Bonus ab. Auch darüber wird am kommenden Montag gesprochen werden. Die Bundesregierung setzt eher auf die Förderung der Forschung, insbesondere bei der Entwicklung leistungsstarker Batterien. Bei all den ungelösten Fragen kommt auf die Nationale Plattform viel Arbeit zu. Die Revolution auf der Straße lässt wohl noch auf sich warten.

 

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