Merkel bietet Briten punktuelle EU-Mitarbeit an

Kanzlerin sendet Signale des Kompromisses an den Euro-Skeptischen Premier Cameron

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Von Hannes Koch

24. Jan. 2013 –

Kanzlerin Angela Merkel versucht, dem Euro-skeptischen britischen Premierminister David Cameron eine Brücke zu bauen. In ihrer Rede beim World Economic Forum im Schweizer Skiort Davos bot sie Großbritannien die freiwillige Mitarbeit bei ausgewählten Vorhaben der verstärkten Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union an. Damit reagierte die Kanzlerin am Donnerstag auf Camerons Ankündigung vom Vortage, 2017 eine Volksabstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der EU abzuhalten.


In seiner Davoser Rede, die Cameron am Donnerstag wenige Stunde vor Merkel hielt, bekräftigte er seine Position. Gleichzeitig betonte er aber: „Wir drehen Europa nicht den Rücken zu“. Sein Ziel sei ein „flexibleres Europa“, an dem Großbritannien auch weiter teilnehmen könne. Gegenwärtig allerdings verstießen die Schritte zur politischen Integration der Eurozone gegen britische Interessen. Diese definierte Cameron vor allem so: Großbritannien solle einen Spitzenplatz in der globalen Ökonomie einnehmen.


Mit ausdrücklichem Bezug auf Cameron antwortete Merkel im großen Saal des Davoser Kongresszentrums: „Die Wettbewerbsfähigkeit ist zentral“. Sie plädierte dafür, in dieser Hinsicht eine „Kohärenz“ unter möglichst vielen Staaten der EU herzustellen. Analog zum Fiskalpakt, mit dem EU-Mitglieder ihre öffentliche Verschuldung senken wollen, betonte die Kanzlerin das Vorhaben eines Paktes für Wettbewerbsfähigkeit.


Einzelne Regierungen sollen zu diesem Zweck bilaterale Verträge mit der EU-Kommission schließen, um beispielsweise die „Lohnzusatzkosten“ für die Sozialversicherung zu drücken. Dadurch könnten die Kosten der Unternehmen sinken. Europäische Firmen wären deshalb in der Lage, ihre Produkte auf dem Weltmarkt billiger anzubieten. Allerdings müssten auch die Sozialleistungen eingeschränkt werden, beispielsweise das Leistungsangebot der Krankenversicherungen in manchen EU-Ländern. An die britische Adresse sagte Merkel: „Wir wollen unseren Wohlstand halten und weiterentwickeln.“


Weniger verständnisvoll reagierte beim Weltwirtschaftsforum der italienische Ministerpräsident Mario Monti. Er warnte Cameron vor der Erpressung der EU. Es sei aussichtslos, mit der Androhung der Volksabstimmung die Änderung der EU-Verträge nach britischen Wünschen zu erzwingen, so Monti. Seinerseits drohte er Cameron, der Austritt aus EU habe den Austritt aus gemeinsamen Binnenmarkt zur Folge – mit anderen Worten: Nachteile für britische Unternehmen.


Kompromissbereiter gab sich der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Er respektierte den britischen Wunsch nach Änderung der EU-Verträge. Im Zuge der Maßnahmen gegen die Schuldenkrise stehen solche Verhandlungen sowieso in den kommenden Jahren an. Den Austritt aus der EU zur Debatte zu stellen, lehnte Rutte jedoch ebenfalls ab.


Auf dem Weg zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Sanierung der Staatsfinanzen habe Europa schon einen weiten Weg zurückgelegt, sagte Merkel. Allerdings bräuchten die Reformen Zeit, bis sie wirkten und sich die Lage der Bevölkerung in den südeuropäischen Staaten wieder verbessere. Um die hohe Arbeitslosigkeit in Griechenland, Spanien und Portugal zu verringern, stellte die Kanzlerin „Überbrückungshilfen“ in Aussicht. Wie diese aussehen könnten, sagte sie allerdings nicht. Politiker und Ökonomen debattieren beim World Economic Forum (WEF) unter anderem, ob der harte Reformkurs nicht durch soziale Maßnahmen abgefedert werden sollte.


Die Kanzlerin unterstützte das Motto des WEF. Es lautet „Widerstandsfähige Dynamik“. Darin verbindet sich die Hoffnung auf höheres Wirtschaftswachstum mit dem Bestreben, die internationalen Finanzmärkte sicherer zu machen. Bei der Regulierung der Finanzmärkte „haben wir noch eine große Lücke“, sagte Merkel. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise mit dem Zusammenbruch der Lehman-Bank 2008 sei manches begonnen, aber vieles noch nicht zu Ende geführt worden. Die politische Aufsicht über die Märkte und die Banken müsse verbessert werden, um einer weiteren Krise vorzubeugen.

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