Merkel und Steinbrück werden Banker
Bundesregierung plant Gesetz zur Verstaatlichung von Banken. Auch die Enteignung soll möglich sein. Erste Kandidatin: Die Hypo Real Estate in München
13. Feb. 2009 –
Die Bundesregierung arbeitet an einem Gesetz, um die angeschlagene Münchner Bank Hypo Real Estate (HRE) komplett zu übernehmen. Die Regelungen des „Rettungsübernahmegesetzes“ sollen für die HRE, grundsätzlich aber auch für andere Banken gelten, die in Schwierigkeiten geraten. Am kommenden Mittwoch will das Kabinett den Entwurf beschließen. Damit vollzieht die große Koalition einen grundsätzlichen Politikwechsel: Bisher haben es Union und SPD abgelehnt, Finanzinstitute zu verstaatlichen.
Besonders Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) stellte in den Vordergrund, dass der Staat vorübergehend die alleinige Kontrolle über die HRE ausüben müsse. Damit das Institut die Finanzkrise übersteht, hat ihr der öffentliche Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung (Soffin) bislang bereits rund 100 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. „Diese Mittel des Staates dürfen nicht verlorengehen“, sagte Steinbrück in der gestrigen Bundestagsdebatte zum Konjunkturpaket. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß warnte die Union davor, „wegen unnötiger Bauchschmerzen das Notwendige zu verhindern“.
Unionsfraktionschef Volker Kauder betonte dagegen, es werde „kein Gesetz geben, das es der Bundesregierung ermöglichen würde, alle Banken nach freiem Gutdünken zu enteignen“. Eine Verstaatlichung sei nur die „ultissima ratio“, sagte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger brachte selbst eine Pleite der HRE als überlegenswerte Lösung ins Gespräch.
Die HRE ist einerseits durch die Verluste ihrer irischen Tochter Depfa nahezu pleite, andererseits hat das Institut eine besondere ökonomische Bedeutung. Am Markt der Pfandbriefe, einer eigentlich besonders sicheren Art von Wertpapieren, hält es einen weltweiten Anteil von rund zehn Prozent. Die Regierung befürchtet den Kollaps weiterer Banken und Versicherer, würde sie die HRE in den Bankrott schicken.
Am Rande der Bundestagssitzung verhandelte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag über die Bestandteile des Rettungsübernahmegesetzes. Die Gespräche würden am Wochenende fortgesetzt, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Das Gesetz wird eine Anzahl von Maßnahmen enthalten, die es dem Staat ermöglichen, die Kontrolle von Banken zu übernehmen. Vorrang haben dabei Lösungen wie beispielsweise Kapitalerhöhungen, mit denen der Bund die Mehrheit an einem Institut bekommen würde. Ziel vor allem der Union ist es, die Interessen der Aktionäre so weit wie möglich zu wahren. Auch Regierungsprecher Wilhelm wies freilich daraufhin, dass der Artikel 14 des Grundgesetzes die Enteignung der Besitzer von Unternehmen grundsätzlich gestattet.
Die öffentliche Ankündigung des Gesetzes dient auch als Druckmittel gegenüber US-Investor Flowers, der 24 Prozent der HRE-Aktien besitzt. Die Bundesregierung verhandelt mit Flowers über den Preis, zu dem die US-Firma ihre Aktien verkaufen würde.
Die Grünen begrüßten den „Strategiewechsel“ der Bundesregierung. „Die Möglichkeiten gegenüber Banken werden deutlich ausgeweitet“, sagte Finanzpolitiker Gerhard Schick. Fraktionschef Fritz Kuhn hatte bereits im vergangenen Oktober die „intelligente Verstaatlichung“ der HRE gefordert. Die Vizechefin der Linksfraktion, Gesine Lötzsch, sagte: „Statt sich erpressen zu lassen, sollte der Bund die HRE-Aktionäre entschädigungslos enteignen“.
Neben der Übernahme von Banken wird das Gesetz auch einige Neuregelungen enthalten, die den Sonderfonds betreffen. So will die Regierung den Zeitraum verlängern, in dem die Soffin Instituten öffentliche Garantien zur Verfügung stellen kann.